Leichtes Spiel mit den Europäern
"Presse"-Leitartikel, vom 11. Jänner 2008, von Wieland Schneider
Wien (OTS) - Die EU ist dabei, in Afrika ihr Gesicht zu verlieren:
Nach dem Tschad-Theater droht Darfur-Mission zu scheitern.
Die Nadelstichtaktik des sudanesischen Regimes zeitigt erste Erfolge. Norwegen und Schweden haben bereits entnervt kapituliert. Sie steigen aus der Friedensmission in Darfur aus. Dabei hätte man die 400 Pioniersoldaten aus Skandinavien dringend gebraucht. Denn die UNO musste bereits kleinlaut eingestehen, dass sie in den kommenden Monaten ihr Mandat in der westsudanesischen Krisenregion nicht erfüllen kann - wegen fehlender Ausrüstung und Soldaten. Ein mehr als peinliches Eingeständnis, war doch der Einsatz zum Schutz der Bevölkerung von Darfur noch vor fünf Monaten als größte UN-Mission aller Zeiten gefeiert worden.
Sollte der Einsatz völlig scheitern, wäre das verheerend für die Menschen in Darfur. Sie leiden seit Jahren unter Überfällen durch Reitermilizen, Bandengewalt und Bürgerkrieg. In den USA und Europa spricht man von Genozid und macht die Regierung des Sudan dafür verantwortlich.
Ein Scheitern des Einsatzes wäre aber auch eine Katastrophe für die internationale Gemeinschaft - ein Gesichtsverlust für die UNO, die EU und die USA. Denn dann würde der Westen zeigen, dass sein Wehklagen über den Völkermord weiterhin das Einzige ist, das er der Gewalt in Darfur entgegenzusetzen vermag.
Das Regime in Khartum hatte es freilich allen Beteiligten von Anfang an nicht leicht gemacht. Es verhehlte nie, dass es einer schlagkräftigen internationalen Truppe im Westen seines Landes so gar nichts abgewinnen kann. Mit Hilfe des Verbündeten China gelang es ihm, Abstriche beim Mandat der Truppe durchzusetzen. In der Sicherheitsratsresolution zu Darfur ist festgelegt, dass die Mission einen "vornehmlich afrikanischen Charakter" haben und die Soldaten so weit wie möglich aus den Ländern der Afrikanischen Union stammen sollen. Nur dort, wo die afrikanischen Kapazitäten nicht ausreichen, sollen andere Länder einspringen - etwa mit Hubschrauber-Einheiten oder Pionieren.
Nun zeigt sich schmerzlich, dass die Kapazitäten der Afrikaner von vorne bis hinten nicht reichen. Doch die Hilfe aus den Industriestaaten bleibt aus. Die sudanesische Regierung hatte nichts unversucht gelassen, um die Entsendung von Soldaten und Militärgerät aus dem Westen zu behindern. Sie forderte, jederzeit ein Flugverbot über Darfur verhängen zu dürfen, und ließ sich allerlei einfallen, um Interessenten aus Europa eine Teilnahme an der Darfur-Mission zu verleiden. Was ihr nun bei den Skandinaviern auch gelang.
In Khartum beteuert man mit Unschuldsmiene, nichts hintertreiben zu wollen. Der Westen sei selbst nicht Willens, Material für die Mission zur Verfügung zu stellen. Und diese Behauptung hat einen wahren Kern. Ob mit oder ohne Querschüsse aus Khartum: In den USA und der EU hielt sich die Begeisterung dafür, Soldaten und Ausrüstung in den Sudan zu schicken, von Anfang an in Grenzen. Deshalb nahm sich die Europäische Union als Ausweichziel den Tschad. Sie beschloss eine Militärmission in das Nachbarland des Sudan zu entsenden, um hier jene Menschen zu schützen, die aus Darfur geflohen sind.
Nun, da die Darfur-Mission vor dem Scheitern steht, ist dieser Einsatz noch wichtiger geworden. Denn der Flüchtlingsstrom in den benachbarten Tschad könnte sich nun verstärken. Und damit gewinnt auch Österreichs Beitrag zur Tschad-Truppe an Bedeutung. Auch wenn es wohl nicht lange dauern wird, bis heimische Kritiker die Kapitulation der Skandinavier in Darfur als Argument gegen den Tschad-Einsatz des Bundesheeres ins Treffen führen.
Die EU hat rund um den Tschad ohnehin bereits ein jämmerliches Schauspiel geboten. Mehrmals musste bereits der Marschbefehl für die Truppe verschoben werden. Denn es war unmöglich, genügend Helikopter aufzutreiben - ein Armutszeugnis für die militärischen Ambitionen der Europäer, die sich einst vorgenommen hatten, mit eigenen Battle Groups international ihre Interessen durchzusetzen.
Nun gibt es Hoffnung, das Hubschrauber-Problem könnte am heutigen Freitag endlich gelöst werden. Selbst wenn sich diese erfüllt: Das Ansehen der EU ist bereits in Mitleidenschaft gezogen worden.
Es sind - wie so oft in der Union - die nationalen Interessen, die die Tschad-Mission an den Rand des Scheiterns brachten. Berlin und London verspürten nur wenig Lust, den von Frankreich angeregten Einsatz zu unterstützen. Dazu kommt, dass heikle Operationen in Afrika bei den Europäern alles andere als beliebt sind. Regime wie das des Sudan werden auch in Zukunft mit den Europäern ein leichtes Spiel haben.
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