Die Politik und die Wissenschaft Buchpräsentation im Hohen Haus
Wien (PK) - Zur Präsentation des Buches "Politikberatung" lud heute Nachmittag Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ins Hohe Haus. Wie in anderen westlichen Ländern kam es auch in Österreich in den letzten Jahren zu einem Boom neuer Formen von Politikberatung, wobei in zunehmendem Maße dabei kommerziell ausgerichtete Institute und Beratungsunternehmen eingeschaltet werden. Die Herausgeber des Bandes - Erich Fröschl, Helmut Kramer und Eva Kreisky - gehen in ihrem Buch der Frage nach, welche Bedeutung diese Entwicklung für die demokratischen Prozesse hat und wie sich die Strukturen in der Vermittlung von Wissenschaft und Politik verändern.
Klubobmann Josef Cap, der in Vertretung der Präsidentin die Begrüßung vornahm, betonte eingangs der Veranstaltung, er habe ja selbst Politikwissenschaft studiert, diese Disziplin sei daher sein Leibthema. Persönlich vertrete er die Ansicht, dass alles Politik sei, wenn etwa ein Journalist einen Artikel schreibe, ein Politikwissenschaftler etwas kommentiere oder eben einen Politiker berate. Stets fließe persönliche Meinung ein, werde mithin der Versuch unternommen, Politik zu machen. Konkret stellte Cap zwei Fragen. Einerseits thematisierte er, ob es eine objektive Beratung geben könne, andererseits beleuchtete er den Aspekt der Demokratie und der demokratischen Legitimation von Politikberatung. Das Buch sei jedenfalls ein echter Gewinn, es sollte unbedingt gelesen werden, schloss Cap.
Kramer nannte das Buch einen Erfahrungsbericht mehrerer Generationen von heimischen Politikwissenschaftlern. Er ging auf die Problematiken bei der Politikerberatung ein und analysierte die Ursachen für die gegenwärtige Situation. Generell hielt er es für die Aufgabe der Politikwissenschaft, unabhängige und kritische Lehr- und Forschungsarbeit zu leisten. Kreisky meinte, es sei kein Zufall, dass die Hochblüte der Politikwissenschaft in eine Reformperiode, nämlich in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, falle und charakterisierte die aktuelle Lage als von einer Beratungsinflation gekennzeichnet, die auch damit zu tun habe, dass Demokratie entleert werde. Überspitzt könne man von ratlosen Politikern und politiklosen Beratern sprechen, sagte Kreisky, die erklärte, das Buch solle einen Anstoß geben, über politische Beratung verstärkt nachzudenken. Fröschl wiederum nannte die Zusammenstellung der Beiträge einen guten Querschnitt durch die heimische Politikwissenschaft und sprach von einem interessanten Buch, das spannenden Fragestellungen nachgehe.
Politikberatung zwischen Affirmation und Kritik
Eva Kreisky geht auf die Problematiken der Politikberatung unter neoliberalen Bedingungen ein und ortet eine Gefährdung des demokratischen Grundverständnisses kritischer Beratung. Politikberatung werde in zunehmendem Maße zum Managementinstrument, mit dessen Hilfe demokratische Entscheidungsprozesse unterlaufen werden. Die Rolle der Politikwissenschaft bei der Herstellung, Förderung und Unterstützung kritischer Öffentlichkeit diskutiert Anton Pelinka in seinem Beitrag und verweist dabei darauf, dass diese Wissenschaftsdisziplin durch ihre verspätete Institutionalisierung und ihres Nahverhältnisses zur Politik unter einem besonderen Druck stand, sich als nützlich zu erweisen. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass die gesellschaftliche Akzeptanz der nunmehr etablierten Politikwissenschaft an der Medienpräsenz von PolitologInnen abzulesen ist. Thomas König geht in seinem Beitrag der Frage nach dem Kritikpotential und den konkreten Aufgaben einer sich als kritisch verstehenden Politikwissenschaft nach. Das schwierige Verhältnis von Politik und kritischer Politikwissenschaft behandelt Wolf-Dieter Narr.
Ein weiterer Abschnitt des Buches befasst sich mit aktuellen Tendenzen und Trends in der Politikberatung in Österreich. Konkret habe sich die neoliberale Grundausrichtung in der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik durch den EU-Beitritt verstärkt, dazu beigetragen habe vor allem auch der massive Zukauf von Beratungsleistungen externer, kommerziell orientierter Beratungsunternehmen in den Jahren nach 2000, wie Erich Fröschl in seinem Beitrag ausführt, während Hubert Sickinger in seinem Beitrag deutlich macht, dass es eine erhebliche Diskrepanz zwischen Institutionalisierung und Anerkennung bzw. Nützlichkeit politikwissenschaftlicher Teildisziplinen gibt. Seien lange Zeit sozialpartnerschaftliche Formen der Politikberatung in Österreich dominant gewesen, so mehrten sich derzeit neue Beratertypen, und vor allem die Politikvermittlung komme heute kaum noch mit parteiinternem Personal aus. Regina Köpl illustriert dies in ihrem Beitrag über ein zu konstatierendes verstärktes Auftreten neuer AkteurInnen wie Spindoktoren oder Lobbyisten im Politikberatungsgeschäft.
Gegenwärtige Formen und Praktiken strategischer Politikberatung stehen im Zentrum eines eigenen Abschnitts. So setzt sich Marcel Fink mit den nur sehr begrenzten Möglichkeiten von Sozial- und PolitikwissenschaftlerInnen, auf konkrete Entscheidungen im Bereich der Sozialpolitik einzuwirken, auseinander. Doris Wydra erläutert diese Problematik anhand der Gesundheitspolitik. Marion Löffler beschreibt in ihrem Beitrag, wie die Nachfrage nach Gender-Expertise durch Gender-Mainstreaming steigt und dadurch eine Vielzahl von Gender-Expertinnen erst erzeugt wird. Leila Hadj-Abdou zeigt in ihrem Beitrag, dass Migrationsforschung und Migrationspolitik in einem durchaus wechselseitigen Spannungsverhältnis stehen.
Heinz Gärtner untersucht zu Beginn des letzten Abschnitts unterschiedliche Formen von Politik- und Politikerberatung in der Außen- und Sicherheitspolitik und kommt dabei zu einem pessimistischen Befund: Es sei weniger die Wissenschaft, die auf Politik mittels Beratung einwirke, sondern Politik wirke umgekehrt auf die Wissensproduktion ein. Zu einem ähnlich kritischen Urteil über die Möglichkeiten des Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik gelangt Petra Purkarthofer. Nonno Breuss beschäftigt sich schließlich mit dem Lobbying als Strategie von NGOs. Das abschließende Resümee des Bandes stammt von Helmut Kramer.
Der von Erich Fröschl, Helmut Kramer und Eva Kreisky edierte Band "Politikberatung" ist im Verlag Braumüller erschienen, umfasst 259 Seiten und ist um 24 Euro 90 im Buchhandel erhältlich. (Schluss)
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