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"KURIER"-Kommentar von Christoph Kotanko: "Drei Wahrheiten über das Pflege-Problem"

Die Legalisierung der ausländischen Betreuerinnen ist nur ein erster Schritt.

Wien (OTS) - Das Problem stellt sich in Zigtausend Fällen, und die beste Lösung ist klar. Ein alter Mensch braucht Betreuung rund um die Uhr, seine Betreuerin (fast immer sind Frauen im Einsatz) ist Tag und Nacht anwesend, besorgt die Körperpflege, hilft beim

Aufstehen und Anziehen, kocht, sie begleitet zum Arzt oder bei Spaziergängen, kurz: organisiert den Alltag für jemand, der/die nicht ins Pflegeheim will oder muss. Das hilft den Betroffenen, deren Familie und nicht zuletzt der Betreuerin, die mit ihrer Arbeit im Ausland wesentlich mehr verdient als in ihrer Heimat. Wo ist das Problem? Diese Heimhilfe ist gesetzwidrig, weil sie gegen zahlreiche arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen verstößt. Es ging nur all die Jahre nicht anders. Während sich die hohe Politik blind und taub stellte, florierte die Schwarzarbeit - nicht aus Lust am Gesetzesbruch, sondern aus schierer Verzweiflung. Mehrere KURIER-Berichte machten im Sommer 2006 den "Pflegenotstand" zum Wahlkampfthema. Dabei kam heraus, dass sogar in der Familie des damaligen Bundeskanzlers sowie bei einem Staatssekretär illegale Pflegekräfte beschäftigt wurden. Es folgte eine befristete Amnestie für Angehörige, die Schwarzarbeiterinnen beschäftigen. Gestern wurde die neue Regelung zur Förderung der 24-Stunden-Betreuung verschickt. Zwei Landeshauptleute, die nah am Bürger sind - der

Niederösterreicher Erwin Pröll und der Vorarlberger Herbert Sausgruber - verzichten auf eine Vermögensgrenze für die Förderung. In den anderen Ländern wird das Vermögen der alten Leute (wenn sie den öffentlichen Zuschuss brauchen) bis auf 7000 Euro "verwertet".

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Künftig werden also Regelungen, die dem Gesetz genügen, möglich sein.
Gut so. Aber es gibt Folgen, die Minister Buchinger nicht bedenkt oder verkennt:
- Die Beschäftigung von Betreuerinnen wird teurer, egal, ob sie angestellt oder selbstständig (mit einem Gewerbeschein) arbeiten. Schon jetzt kann sich nur der gehobene Mittelstand die private Pflege leisten, Durchschnittspensionen reichen nicht - da wird auch ein Zuschuss wenig helfen. Daher wird es bei vielen illegalen (billigeren) Pflegeverhältnissen bleiben.
- Das Problem wird in den nächsten Jahren noch verschärft durch die steigende Lebenserwartung, die zunehmende Mobilität (immer mehr Kinder leben woanders als ihre alten Eltern) und die Vereinsamung vieler Menschen (Kehrseite der Single-Gesellschaft).
- Auch wenn manche Politiker so tun, als bräuchte man die Pflegerinnen aus dem Ausland nicht - es geht nicht anders, nachdem es kein inländisches Potenzial gibt. Das osteuropäische Reservoir wird bald ausgeschöpft sein, weil dort der Lebensstandard steigt. Dann wird man Helferinnen aus fernen Ländern holen müssen (bei Krankenschwestern gab es solche Aktionen vor Jahrzehnten mit den Philippinen).
Über eines sollten sich alle, Politiker wie Privatleute, klar sein: Das Pflege-Problem wird größer statt kleiner.

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