• 05.11.2007, 18:59:18
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Frauen verändern das Bild der Frau in Kunst und Geschichte Prammer für neue Wege bei der Präsentation von Kunst im Parlament

Wien (PK) - Zwei Bücher, ein historisches Werk über Frauenbilder und
Feminismus im Zusammenhang mit der nationalen Frage am Ende der
Habsburgermonarchie und eine Dokumentation zum Wiener
Künstlerinnenfestival "Her position in transition" vom März 2006
standen heute im Mittelpunkt einer Abendveranstaltung im
Abgeordnetensprechzimmer des Parlaments, zur der sich auf Einladung
von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ein zahlreiches Publikum
mit viel weiblicher Prominenz aus Politik, Verwaltung und
Wissenschaft eingefunden hatte.

Präsidentin Prammer dankte den Autorinnen, Künstlerinnen und
Herausgeberinnen für die beiden spannenden Bücher. Das eine leuchte
die österreichisch-ungarische Monarchie aus der Perspektive des
Feminismus aus. Das zweite zeige, welchen Raum die Frauen in der
Kunst einnehmen und welchen Einfluss sie auf die Gesellschaft
ausüben. Angesichts der Installation "Europa", mit der Malgorzata
Bujnicka in der Säulenhalle das Thema Grenzen und Offenheit
thematisierte, kündigte die Nationalratspräsidentin an, neue Wege bei
der Präsentation zeitgenössischer Kunst im Parlament gehen zu wollen.
Sie sehe die Chance, die vielen BesucherInnen des Parlaments mit
Kunst vertraut zu machen. Selbstverständlich werde sie dabei auf
Geschlechter-Ausgewogenheit achten und den Blick auch auf das Thema
Frauen öffnen. Dazu fühle sie sich als Nationalratspräsidentin
verpflichtet, sagte Barbara Prammer

Universitätsdozentin Karin Liebhart stellte zunächst das von Waltraud
Heindl, Edit Kiraly und Alexandra Millner herausgegebene Buch
"Frauenbilder, feministische Praxis und nationales Bewusstsein in
Österreich-Ungarn 1867-1918" vor, das die Diskussion über die
Geschlechterbeziehungen in den letzten Jahrzehnten Österreich-Ungarns
beschreibt. Es zeigt, wie Schriftstellerinnen erstmals die soziale
und politische Hegemonie der Männlichkeit in Frage stellten und den
Zusammenhang von Geschlecht, Sexualität und Macht ins öffentliche
Bewusstsein rückten.

Dann präsentierte Liebhart die im Wiener Verlag Löcker erschienene
Dokumentation "Performance Politik Gender" von Margit Niederhuber,
Katharina Pewny und Birgit Sauer, ein Sammelband zum Wiener
Künstlerinnenfestival "Her position in transition" vom März 2006. Sie
hob hervor, dass viele der historische Problemstellungen in Zeiten
von Globalisierung und Neoliberalismus nach wie vor aktuell sind.
Frauen als Kunstschaffende entwickeln ästhetische Strategien und
reflektieren, wie sie ihre eigene künstlerische, soziale und
politische Rolle entwickeln können und welcher gesellschaftliche Raum
dafür zur Verfügung steht.

Anschließend stellten Universitätsprofessorin Waltraud Heindl, Edit
Kiraly und Alexandra Millner die Beiträge des von ihnen
herausgegebenen Sammelbandes in ausgewählten Zitaten und
Illustrationen dar. Die Entstehung des Materialienbandes zum
internationalen Künstlerinnenfestival "Her position in transition"
wurde von den Herausgeberinnen Margit Niederhuber, Katharina Pewny
und Birgit Sauer erläutert. Sie hoben hervor, dass sie sich von
diesem Buch Anstöße zu weiteren künstlerischen Arbeiten und Diskursen
erhoffen. Beispiele aus Guna Kalnacas fotographischer Dokumentation
des Festivals waren per Powerpoint zu sehen.

Feminismus und nationales Bewusstsein in Österreich-Ungarn 1867-1918

Ein zentrales Thema der intellektuellen Diskussion in den letzten
Jahrzehnten Österreich-Ungarns war die überkommene Ideologie der
Geschlechterbeziehungen. Die Literatur hatte wesentlichen Anteil
daran, dass die Frage nach Geschlecht, Sexualität und den daraus
entspringenden Machtverhältnissen ins öffentliche Bewusstsein gerückt
wurde. Erstmals begannen zu Ende des 19. Jahrhunderts
Schriftstellerinnen die soziale und politische Hegemonie der
Männlichkeit in Frage zu stellen. Die männlichen Domänen Politik und
Wissenschaft reagierten auf die Frauenbewegung mit Abwehr und dem
Versuch, die männliche Dominanz unter Berufung auf die
"naturgegebene" Geschlechterdifferenz zu rechtfertigen. Im
multiethnischen Raum der Monarchie war es auch unvermeidlich, dass
die regionalen Frauenbewegungen sich in vielfältiger Weise mit dem
Komplex der jeweils dominierenden "nationalen Frage" verknüpften.

Edit Kiraly (Budapest) und Alexandra Millner (Wien) haben den
einleitenden wissenschaftstheoretischen Essay "Feministische Praxis
in Österreich-Ungarn um 1900" beigesteuert. Ausgangspunkt für die
Entstehung des vorliegenden Bandes war die Beteiligung der Autorinnen
am Forschungsprojekt "Herrschaft, ethnische Differenzierung und
Literarizität. Fremd- und Selbstbilder in der Kultur Österreich-
Ungarns 1867-1918", in das sie die Frage der Geschlechterideologie
einbrachten. Kiraly/Millner berufen sich auf einen
fächerübergreifenden und kulturwissenschaftlichen Ansatz, der es
erlaubt, die Frage nach der Interferenz von zwei Thematiken zu
stellen, die lange Zeit von der Forschung separat abgehandelt wurden,
nämlich Genderkonstruktionen einerseits und die Konstrukte nationaler
Identität andererseits. Sie stellen dazu den gemeinsamen historisch-
kulturellen Bezugsrahmen der Nationalbewegungen und Frauenbewegungen
der Habsburgermonarchie her.

Das Buch basiert hauptsächlich auf Ergebnissen einer von Kiraly und
Millner im März 2003 in Wien organisierten Tagung, "Genderfragen und
kollektive Identitäten in der Habsburger Monarchie 1867-1918".
Die Aufsätze gliedern sich thematisch in einen
kulturwissenschaftlichen und einen historischen Teil. In ersterem
behandeln sechs Beiträge Repräsentationen des "Weiblichen" in
bildender Kunst, Presse und Psychoanalyse, im zweiten Teil
beschreiben sieben Autorinnen Aspekte der ungarischen, tschechischen,
slowakischen, slowenischen, polnischen und ukrainischen
Frauenbewegung in der Habsburgermonarchie.

Performance Politik Gelder - Künstlerinnen und Globalisierung

Wie reagieren Künstlerinnen auf die gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und politischen Veränderungen im Zuge der
Globalisierung? - Im März 2006 war dies die zentrale Frage der
Ausstellungen, Installationen, Performances, Tanz und Workshops beim
Wiener Künstlerinnenfestival "Her position in transition". Die
Künstlerinnen arbeiteten spartenübergreifend mit Neuen Medien,
überschritten Grenzen zwischen Kunstgattungen, mischten Formen,
machten sich auf die Suche nach ihren Wurzeln und gingen neue
ästhetische Wege. Frauen setzten in Performances ihren Körper radikal
ein und erprobten neue Methoden bei der Eroberung des öffentlichen
Raumes. So wurde ein "Frauentaxi" etwa zum Ort der Auseinandersetzung
mit Themen wie globale Migration oder Gewalt.

Performance-Künstlerinnen entlarvten Geschlechterrollen als soziale
Konstruktionen. "Das Bild der Frau haben Männer geschaffen", heißt es
in Valie Exports Manifest "Woman's Art". Wissenschaft, Kunst, Wort
und Bild, Kleidung und Architektur, gesellschaftlicher Verkehr und
Arbeitsteilung sei den Frauen verweigert worden. "Gebt den Frauen das
Wort, damit sie zu sich kommen können", schreibt Valie Export, die
eine Kunst weiblicher Selbstbestimmung fordert, von der sie sich auch
neue Werte für die Kunst erwartete.

In "The Female Philosopher" stellt Eva Maria Gauss die Frage, warum
der "Philosoph" mit der (männlichen) Bronzefigur Rodins oder
Aristoteles-Büsten verbildlicht werde. Die Performerin zeigt eine
Philosophin bei der Arbeit und versucht, den Sinn von Begreifen-
Wollen, Gedanken-Fassen, Denken-Formen, Nicht-Verstehen-Können,
Schreiben-Müssen zu erfassen.

Das Buch enthält theoretische Überlegungen zum Kontext von Kunst,
Feminismus und Politik. Themen des Festivals "Her position in
transition" waren Wandlungen in Gesellschaft und Staat durch
Globalisierung und Neoliberalismus sowie die damit einhergehenden
Veränderungen im Verhältnis zwischen den Geschlechtern.

Alexandra Weiss beschreibt die Sphäre der Kultur mit Bezug auf
Antonio Gramscis Theorie als Angelpunkt und zentrale Arena sozialen
Wandels. Laut Weiss habe sich die Frauenbewegung dank ihrer Vielfalt
und ihres weiten Politikbegriffs als kontinuierlichste aller sozialen
Bewegungen seit den sechziger Jahren behauptet. Weiss' Kritik gilt
jede Reduktion der Frauenbewegung auf ein enges Politikverständnis
und "maskulinistischen Akzenten" in der Antiglobalisierungsbewegung.

Unter dem pointierten Titel "Die Wonnen der Prekarität" enthüllen
Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre Widersprüche in der neuen
"Kreativindustrie". Obwohl die Kultur längst als zentraler
Wachstumsmotor gelte, der schon 1995 drei Millionen Menschen in der
EU beschäftigte, leben in Europa "super creatives" ungeachtet ihrer
überdurchschnittlichen Ausbildung, Flexibilität und Arbeitsmotivation
meist schlecht. Während die Werke einiger weniger Künstler enorme
Preise erzielen, erwarte man von den meisten KünstlerInnen
paradoxerweise, für geringen Lohn zu arbeiten, schreiben Mayerhofer
und Mokre.

Die beiden Bücher

"Performance Politik Gender", herausgegeben von Margit Niederhuber,
Katharina Pewny und Birgit Sauer im Wiener Verlag Löcker ist ein
Materialienband zum Internationalen Künstlerinnenfestival "Her
position in transition", das im März 2006 in Wien stattfand. Auf 298
Seiten findet der Leser Interviews, Diskussionsprotokolle, Text- und
Fotodokumentationen, Illustrationen und wissenschaftliche Texte.

Waltraud Heindl/Edit Kiraly/Alexandra Millner (Hg.): Frauenbilder,
feministische Praxis und nationales Bewusstsein in Österreich-Ungarn
1867-1918. A Francke Verlag Tübingen und Basel, 2006 (Schluss).

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie - etwas
zeitverzögert - auf der Website des Parlaments im
http://www.parlament.gv.at/pls/portal/url/PAGE/SK/FOTOALBUM/:
http://www.parlament.gv.at

Eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272, Fax. +43 1 40110/2640
e-Mail: pk@parlament.gv.at, Internet: http://www.parlament.gv.at

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