• 14.10.2007, 17:41:22
  • /
  • OTS0041 OTW0041

Anstiftung zum Asylmissbrauch

"Presse"-Leitartikel, vom 15. Oktober 2007, von Michael Prüller

Wien (OTS) - Nicht das Gesetz ist das Problem, sondern eine
Praxis, die abschrecken will und damit das Gegenteil erreicht.

Alle wollen ein besseres Asylrecht, aber keiner weiß, wie. Das gilt
nicht nur für jene, die von einem besseren Gesetz eigentlich nur
erwarten, dass Arigona bleiben darf und ihr kleiner Bruder nicht mehr
weint. Auch für die Skeptiker jeder Anlassgesetzgebung bleibt die
Sache vertrackt. Denn ein Asylrecht, das die bloßen Zuwanderer von
den wirklich Schutzbedürftigen trennen soll, bedeutet immer auch:
Tüchtige Leute, die große Strapazen auf sich nehmen, um sich in
Österreich nützlich machen zu können, werden mit bürokratischem
Aufwand nach Hause geschickt. Wenn man Zuwanderung nicht dem Zufall
überlassen will, geht es aber nicht anders. Ein strenges Asylgesetz
ist also eine notwendige Idiotie - und so etwas kann einfach nicht
alle zufriedenstellen.
Ein bisschen was ginge aber schon. Fangen wir am Ende an: Wenn heute
jemand kein Asyl bekommt, ist ein humanitäres Bleiberecht die einsame
Entscheidung des Innenministers. Früher gewährte er das auf Antrag
des Asyl- und Migrantenbeirates, in dem auch Hilfsorganisationen
sitzen - und der war gar nicht so lax. Er hätte vielleicht der
Familie Zogaj kein Bleiberecht verschafft, aber die Versuchung war
damals viel geringer, den Minister anzuschießen und aus einem medial
aufbereiteten Einzelfall politisches Kapital zu schlagen - denn es
saßen ja alle mit im Boot. Eine Wiedereinführung dieses
Vorschlagsrechts wäre überlegenswert.
Natürlich kann man auch über einen Rechtsanspruch auf Bleiberecht
diskutieren. Schließlich gewährt Artikel 8 der
Menschenrechtskonvention jedem ein Recht auf ungestörtes
Familienleben. Das könnte man im Asylgesetz konkretisieren.
Automatisches Bleiberecht ist aber ein Unding, solange die
Asylverfahren so lange dauern wie jetzt. Denn mit der bloßen Abgabe
eines Aslyantrags dank der Marathon-Verfahren ein jahrelanges
Aufenthaltsrecht mit Aussicht auf permanente Legalisierung zu
erhalten ist einfach so attraktiv, dass nur die ganz Dummen den viel
mühsameren regulären Weg beschreiten werden, wenn sie hier leben
wollen. Das ist geradezu Anstiftung zum Asylmissbrauch.

Wie aber könnte man die Verfahren verkürzen? Ein Teil des Problems
liegt in der Natur der Sache: Wer in der ersten Instanz abgewiesen
wird, kann relativ leicht in die Berufung gehen - da hat der
Dolmetscher eben falsch übersetzt, oder der traumatisierte Asylwerber
bringt es erst jetzt über sich, von Verfolgungen zu erzählen, die im
Erstverfahren nicht bekannt waren. 2003 hat die Regierung versucht,
Letzteres durch ein sogenanntes Neuerungsverbot zu verhindern, das
wurde vom Verfassungsgerichtshof aber als "zu eng" aufgehoben, wohl
zu Recht. Legistisch ist da also wenig zu machen.
Am besten würde nicht eine Gesetzesänderung, sondern eine dramatische
Aufstockung des Personals wirken. Wolf Szymanski, ehemaliger Leiter
der Fremdensektion im Innenministerium, weist seit Jahren darauf hin,
dass in Deutschland die Zahl der Asylbeamten um fast das Vierfache
erhöht wurde, als durch Kosovo-, Tschetschenien-, Afghanistan- und
Irak-Krieg die Asylantenschar explodierte. Hierzulande scheint man
aber weiter darauf zu setzen, dass das Schneckentempo einer
überforderten Behörde Scheinasylanten abschreckt, wo doch das
Gegenteil der Fall ist. Einfach ist eine Personalvermehrung aber
nicht, weil vor allem die Berufungsbehörde 1. Instanz, der
Unabhängige Bundesasylsenat, in diesem berufungsfreudigen Umfeld der
Flaschenhals ist. Es ist nicht ohne, eine solche Behörde, die aus
qualifizierten Beamten mit Versetzungsschutz besteht, über Nacht
aufzublasen.

Es wird Österreich aber gar nichts anderes übrigbleiben, als hier
viel Geld in die Hand zu nehmen und zielgerichtet die behördlichen
Kapazitäten weiter auszubauen. Gleichzeitig muss aber auch eine
Harmonisierung der verschiedenen Einwanderungsverfahren erfolgen: Bei
der Familie Zogaj war ja das Asylverfahren in allen Instanzen
innerhalb von weniger als vier Jahren im März 2005 abgeschlossen, sie
konnte die Abschiebung aber noch zwei Jahre durch zusätzliche Anträge
verzögern. Ist hier ein zügiger Ablauf garantiert, ist es weitgehend
Formsache, ob es dann ein Bleiberecht nach fünf oder sieben Jahren
gibt. Wer also ein automatisiertes Bleiberecht fordert, muss
dazusagen, dass es dabei eigentlich auf die ziemlich komplizierten
und aufwendigen Hausarbeiten ankommt, die vorangehen müssen. Dann
aber ruhig: her damit!

Rückfragehinweis:
Die Presse
Chef v. Dienst
chefvomdienst@diepresse.com
Tel.: (01) 514 14-445

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PPR

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel