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Andreas Unterbergers Tagebuch

Die Geisterschüler

Wien (OTS) - Die Geisterschüler

Glaube nur der Statistik, die du selber verfälscht hast: Dieser Uralt-Kalauer kommt einem angesichts der Groteske um die Schülerzahlen in den Sinn. Fast die gesamte Regierung hat sich deren Senkung in vielen Klassen auf unter 25 gerühmt. Doch nun erfährt man, dass das Unterrichtsministerium dabei pfiffigerweise nur jene Schüler zählt, die aus dem Sprengel der Schule stammen.

Ganz abgesehen davon, dass kaum jemand weiß, zu welchem "Sprengel" er überhaupt gehört, inspiriert das Modell Geisterschüler zu mancherlei Nachfolge-Ideen: Arbeitslose werden nur noch gezählt, wenn sie in ihrem Heimatsprengel leben (was einen großen Erfolg bei der Verringerung der Arbeitslosigkeit bringt). Steuern werden nur noch für das bezahlt, was man im eigenen Sprengel verdient. Und Verletzungen der 0,5-Promille-Grenze werden nur noch dann geahndet, wenn der Alkohol im Heimatsprengel konsumiert wurde . . .

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Im Grunde geht es auch bei der Neutralität um ein ähnliches Denken: Man tut so, als ob einen das, was außerhalb des eigenen "Sprengels" passiert, nichts anginge. Und ignoriert, dass die wirkliche Welt Sprengelgrenzen nicht kennt: Etwa wenn jugoslawische Kampfjets über Graz fliegen; wenn große Flüchtlingsmassen nach Österreich strömen.

Sollte das Ignorieren aber gar nicht mehr möglich sein, wird halt schnell nach den USA gerufen, auf dass sie als Weltfeuerwehr eingreifen. Selbst aber braucht man - so wie die griechische Exekutive - bei Katastrophen nichts zu tun. Man ist ja neutral - und kann solcherart auch viel besser über die Amerikaner motzen, wenn sie wie im Irak als Weltfeuerwehr arg patzen.

Also hat die steirische ÖVP mit ihrem Vorstoß "Weg mit der Neutralität" moralisch recht. Politisch freilich bleiben die steirischen Schwarzen ihrer Gesamtschul-Devise treu: Nur kein Fettnäpfchen auslassen, mit dem man Wähler vertreiben könnte. Denn spätestens seit dem Irak-Krieg (und seit alle versprochen haben: Kein Neutralitäts-Abbau ohne Referendum) ist jedes Kratzen an der Neutralität parteipolitische Selbstbeschädigung. Was sich ja schon bei mehreren Wahlen gezeigt hat.

Auch wenn sie moralisch nicht gerechtfertigt ist: Die Neutralität bleibt den Österreichern heilig.

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