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DER STANDARD-Kommentar "Absurde Räte-Demokratie" von Conrad Seidl

Wien (OTS) - Wer im österreichischen Hochschulbetrieb etwas werden will, muss ausreichende Qualifikationen mitbringen. Dass die wissenschaftliche Befähigung ausreicht, wird gelegentlich mit einer gewissen Großzügigkeit als gegeben genommen - dass ein Bewerber für einen Rektorsposten aber männlichen Geschlechts sein muss, ist ein ungeschriebenes Gesetz. Und solche ungeschriebenen Gesetze werden mit eiserner Strenge befolgt - mag der eigentliche Gesetzgeber, der österreichische Nationalrat, auch bemüht sein, der universitären Realverfassung mit einem Bundesgesetz entgegenzutreten.

So war es bei der letzten großen Universitätsreform 2003 zumindest beabsichtigt: Den eingespielten Strukturen innerhalb der Universitäten sollten mit den Uni-Räten externe Experten und -richtig! - Expertinnen beigegeben werden, damit die wichtigsten Zukunftsentscheidungen zum Wohle der Weiterentwicklung des jeweiligen Unternehmens Uni passieren.

Die richtige Perspektive, was denn eigentlich das Wohl einer Universität ausmache, erwartete man sich von Praktikern, nicht zuletzt von Unternehmerinnen und Unternehmern. Die würden schon wissen, was für die Uni gut ist, für die sie Verantwortung mitübernehmen. Eine solche Form der Räte-Demokratie hat auch den neoliberalen Unternehmern geschmeckt - sie ist bei der Einführung durch die schwarz-blaue Regierung in höchsten Tönen gelobt worden. Die Uni-Räte haben aber etwas ganz anderes bewirkt als ursprünglich versprochen: Die Professoren in den Senaten können zwar nicht alles, was ihnen passt, allein durchsetzen - aber sie können verhindern, was oder wer ihnen nicht passt. Und wenn dann doch ausnahmsweise eine qualifizierte Frau auftaucht und es bis auf einen Vorschlag des Senats schafft, ist mit dem Uni-Rat dann wieder ein verlässliches Gremium zur Hand, das den Betriebsunfall bereinigt. Eine viel versprechende Kandidatin nach der anderen fällt bei der Bestellung durch. Die Räte folgen dem ungeschriebenen Gesetz.

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