"KURIER"-Kommentar von Andreas Schwarz: "Streiten, packeln und sich wundern"
Die Große Koalition will dazugelernt haben - und hat noch viel zu lernen.
Wien (OTS) - Einer der ewigen Irrtümer der Politik ist, dass
Streit das Geschäft belebt und im Erfolgs-, sprich: Durchsetzungsfall das Image des Siegreichen gehoben wird. In Wahrheit delektiert sich das Wahlvolk an parteipolitischem Geplänkel mit mäßigem Genuss. "Die streiten nur und packeln dann eh" ist ein Stammtisch-Selbstläufer, der in Nachwahlanalysen "Politikverdrossenheit" heißt. Nicht umsonst haben der Bundespräsident oder die fachlich sehr, parteipolitisch wenig begabte Außenministerin die besten Umfragewerte - also genau jene Politiker, die vom Tages-Hickhack meilenweit entfernt sind.
So gesehen ist das, was die Große Koalition in den ersten zwei Monaten ihrer Arbeit (?) darbietet, ein klassisches Wählerschreckprogramm. Es wird gestritten, umgefallen, triumphiert auf Teufel komm raus. Die SPÖ sieht die ÖVP auf "Orientierungssuche" und hält ihr die Versäumnisse der vergangenen Jahre vor. Die ÖVP fordert den Koalitionspartner auf, endlich zu arbeiten, und bietet sich als "gelber Engel" an, wenn die SPÖ wieder einmal auf dem Pannenstreifen liegen geblieben ist.
Das ist im Übrigen nicht, wie einzelne Funktionäre dann erklären, eine selektive Wahrnehmung der Medien, die die konstruktive
Zusammenarbeit im Hintergrund halt nicht zu würdigen wissen. Sondern das sind offensiv und bewusst über die Medien kommunizierte Schläge unter der Gürtellinie - nur um sich dann, wie in der
Klimafrage, auf einen durchaus sinnvollen Kurs zu einigen, für den es die Auseinandersetzungen vorher nicht gebraucht hätte.
Der Versuch, das als "Diskurs" darzustellen, der die Politik belebe und der Parteienlandschaft gut tue, wie der Zweite Nationalratspräsident gemeint hat, ist putzig. Weder steckt hinter diesen Koalitionsreibereien ein Masterplan, um die Opposition ihrer Rolle zu berauben, weil man einander selbst genug Opposition ist. Noch steht dahinter die brillante Taktik, im Dauerfight das Vorurteil gegen eine Große Koalition ("Einheitsbrei") zu bekämpfen. Das Koalitions-Hickhack passiert. Und zwar, weil da zwei zusammen sind, die nie und nimmer zusammen wollten. Die eigentlich nicht zusammengehören. Und von denen der eine (ÖVP) ein Primärziel hat, nämlich das nächste Mal wieder Erster zu werden, was nur auf Kosten des Partners geht. Während der andere (SPÖ) am zufällig Realität gewordenen Primärziel, Erster zu sein, kaut, weil er dafür nicht aufgestellt war/ist.
Am Schluss siegt meistens der vom Bundeskanzler zum Dogma erhobene "Kompromiss". Nur die ebenfalls von Alfred Gusenbauer geäußerte Annahme, dass am Ende des Tages nicht der kleinliche Streit, sondern die Arbeit bewertet würde, ist realitätsfremd. Denn "Die streiten nur und packeln dann eh" ist eine Wahrnehmung, die sich durch lauten Streit und mühsame Einigungen (noch dazu, wenn sie die Bevölkerung Geld kostet) nicht ausräumen lässt. Dass sich die handelnden Personen darüber wundern, ist auch nicht wegzukriegen.
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