• 08.03.2007, 21:47:45
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Bei der Atomkraft fällt uns das Argument auf den Kopf" (Von Michael Jungwirth)

Ausgabe vom 09.03.2007

Graz (OTS) - Auf den ersten Blick ist es eine handfeste
Provokation: Beim Klimaschutz steht es fünf nach zwölf und die EU
debattiert über die Atomkraft. Die Österreicher, die sich 1978
freilich nur mit hauchdünner Mehrheit gegen Zwentendorf ausgesprochen
haben, verstehen die Welt nicht mehr.

Womöglich hat sich auch Alfred Gusenbauer seinen ersten Gipfel etwas
anders vorgestellt. Statt seinem untrügerischen Gespür für
populistische Stimmungen nachzugehen und sich als Öko-Kanzler zu
profilieren, muss er sich beim Klimagipfel mit der lästigen
Atomenergie herumschlagen. Wieder sind es die Franzosen, die den
Österreichern die Suppe versalzen.

Es ist aber nun mal so: Die EU wird nicht am österreichischen Wesen
genesen. Einigen dürfte noch in Erinnerung sein, dass sich die
Österreicher 1978 mit hauchdünner Mehrheit gegen Zwentendorf
ausgesprochen haben. Kreisky hatte die Abstimmung mit seinem eigenen
politischen Schicksal verknüpft. 30.000 Stimmen haben gefehlt und in
Österreich wären heute drei Atomkraftwerke in Betrieb. Das sah
Kreiskys Energieplan so vor.

Seit dem EU-Beitritt pochen die Österreicher bei jeder Gelegenheit
darauf, dass jedes Land seinen Energiemix selbst bestimmt. Dieses
Argument fällt uns jetzt auf den Kopf. Mit demselben Recht verwiesen
die Franzosen, die Tschechen, die Finnen und übrigens auch die
Schweizer darauf, dass es uns Österreicher nichts angeht, ob sie sich
für oder gegen die Atomkraft entscheiden.

In der Tat ist die Atomkraft eine höchst problematische Energieform.
Eine hundertprozentige Sicherheit kann nicht garantiert werden, vor
allem ist die Frage der Endlagerung nach wie vor ungeklärt. Weltweit
existiert kein einziges Endlager für die tödlichen Brennstäbe.

Dass Europas Bürger von der Kernenergie unisono nichts wissen wollen,
ist eine Mär. Unbeeindruckt von den jüngsten Pannen befürworten nur
17 Prozent der Schwesen den Ausstieg aus der Technologie.

Die Atomkraft erlebt eine Renaissance, weil die Industriestaaten an
mehreren Fronten unter Druck geraten sind. Der Energiebedarf steigt,
aber auch die Auslandsabhängigkeit. Gleichzeitig schlittert die Welt
in den Klimakollaps. Die erneuerbaren Energien sind eine Antwort,
aber nicht die einzige Antwort auf das Dilemma.

Vor diesem Hintergrund steht auf dem gestern in Brüssel begonnenen
EU-Gipfel viel auf dem Spiel. Wenn jemand beim Klimaschutz eine
weltweite Vorreiterrolle übernehmen kann, dann sind es die Europäer.
Der Gipfel wird zeigen, ob die EU zur Kraftanstrengung bereit ist.
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