DER STANDARD-KOMMENTAR "Rote Überzeugungsarbeit" von Michael Völker
Auf dem Weg in die Regierung muss Gusenbauer erst einmal die SPÖ an Bord holen - Ausgabe vom 5.1.2007
Wien (OTS) - Die SPÖ wird sich sehr schwer tun, die Regierungsbildung unter ihrer Führung, pardon, man darf ja die ÖVP nicht vergrätzen, also in Partnerschaft mit der ÖVP, als Erfolg zu verkaufen. Immerhin, können sich die Genossen sagen, wir haben eine Regierung gebildet. Und der Kanzler heißt Alfred Gusenbauer. Das ist schon wesentlich mehr, als man sich noch vor einem halben Jahr erwarten durfte, das trauten sich nur die ganz Wagemutigen zu erhoffen.
Inhaltlich ist die bevorstehende Einigung mit der ÖVP nur schwer schönzureden. Da wird es schon akrobatischer Sprachgewandtheit und fantasievoller Wortkreativität bedürfen, um die SPÖ-Erfolge in den Koalitionsverhandlungen hervorzustreichen. So wie es ausschaut, wird die SPÖ von ihren zentralen Wahlversprechen so gut wie nichts umgesetzt haben.
Ein Vorwurf, der freilich nicht sehr fair ist und an dem nicht nur die ÖVP zu tragen hat. Die SPÖ hat einen Wahlkampf ohne Rücksicht auf Verluste (vor allem nicht der anderen) geführt. Versprochen wurde alles, was gut ist, was gut ankommt - und teuer ist. Die Aussicht, die Wahlversprechen auch tatsächlich einlösen zu müssen, war gering. Jetzt stellt sich heraus, was absehbar war: Es ist nicht unbegrenzt Geld vorhanden. Was die ÖVP nicht vorgerechnet hat, kann sich die SPÖ jetzt selbst zusammenzählen: Höhere Pensionen, eine bessere Gesundheitsbetreuung, mehr Jobs bei faireren Löhnen, bessere Bildungschancen inklusive uneingeschränkten, kostenlosen Hochschulzugangs, eine umfassende Grundsicherung und, und, und. Kosten darf das natürlich auch nichts, weil wir ja ein ausgewogenes Budget, wenn nicht gar ein Nulldefizit anstreben.
Das kann nicht gehen.
Dazu kommt noch das Gemurks mit den Eurofightern. Die Regierung hat einen Vertrag abgeschlossen, der bis jetzt wasserdicht erscheint. Macht zwei Milliarden. Euro.
Kleinere Erfolge mögen in den Verhandlungen mit der ÖVP erzielt worden sein, die zentralen Wahlkampfversprechen blieben im Ansatz stecken: Studiengebühren (abschaffen), Eurofighter (abbestellen). Der ÖVP ist das fast schon peinlich: Mittlerweile will man ja in die Regierung, also auch in die nächste, aber wie soll Gusenbauer dieses Verhandlungsergebnis seiner Partei erklären? Andererseits schafft es auch eine tiefe Befriedigung, zwar die Wahlen verloren, aber immerhin die Koalitionsverhandlungen danach gewonnen zu haben.
Bei den Studiengebühren fordert die SPÖ von der ÖVP "Bewegung", aber die wird wohl nur zum Aufwärmen reichen. Eine generelle Abschaffung wird nicht kommen, verhandelt wird nur über Ausnahmen oder Zuschüsse. Noch schwerer tut sich die SPÖ bei den Eurofightern.
Auch da fordert Gusenbauer Bewegung, sagt aber nicht wie und wohin. Die SPÖ weiß selbst nicht, wie man aus diesem Vertrag aussteigen könnte. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat bisher keine brauchbaren Ansätze geliefert. Dass er dies noch tun wird, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber doch unwahrscheinlich.
Die ÖVP besteht auf Biegen und Brechen der Koalition auf der Anschaffung der Eurofighter. Und tut sich insgeheim leicht: In der ÖVP ist man sich sicher, dass am Eurofighter kein Weg vorbeiführt, dass die Flugzeuge kommen werden. Der Vertrag scheint wasserdicht zu sein, ein Ausstieg käme so teuer, dass selbst die SPÖ ihn nicht hinnehmen würde. Allenfalls kann man mit der ÖVP noch über eine Verringerung der Stückzahl reden, aber bis jetzt hat die SPÖ dieses Thema in den Verhandlungen nicht einmal angeschnitten. Die ÖVP bräuchte sich nur zurückzulehnen: Selbst wenn im Regierungsübereinkommen gar nichts zu den Eurofightern steht - sie kommen doch.
Auf der Präsidiumsklausur in Krems war Gusenbauer dann auch eher bemüht, die eigenen Leute einzufangen als der ÖVP seine Forderungen zu verdeutlichen. Seine Partei muss er überzeugen. Die ÖVP hat er vom gemeinsamen Programm längst überzeugt.
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