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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Mit einer Hinrichtung begann die Rückkehr nach Europa" (von Michael Jungwirth)

Ausgabe vom 02.01.2007

Graz (OTS) - Hinrichtungen von Diktatoren um die Jahreswende haben schon Tradition. Vielen Österreichern dürften die dramatischen Fernsehbilder von Nikolai Ceausescus Exekution noch in Erinnerung sein. Der Diktator starb 1989 im Kugelhagel der selbst ernannten Revolutionäre.

Zu Neujahr hat sich dieser Kreis jetzt geschlossen. 17 Jahre nach dem Umsturz traten Rumänien und Bulgarien der EU bei. Eine Entwicklung, die zunächst in Sofia und dann kurz vor Weihnachten unter dramatischen Vorzeichen in Temesvar und Bukarest ihren Anfang genommen hatte, wurde jetzt zu Ende geführt. "Wir sind daheim", titelte gestern eine Zeitung in Sofia in einer Sondernummer.

Mit dem Doppelbeitritt wurden die letzten sowjetischen Ostblock-Satelliten, die letzten Opfer von Jalta, sieht man von Ex-Jugoslawien und Albanien ab, aufgenommen. Die EU hat sich bis ans Schwarze Meer vorgeschoben. Erweiterungskommissar Rehn sprach pathetisch von den "letzten Resten der Berliner Mauer, die beseitigt wurden".

Das ist der Kontext, vor dem die jüngste Erweiterungsrunde gesehen werden muss. Im Vordergrund stehen nicht Milchquoten, Nettozahlungen oder EU-Posten, sondern die Idee, dass die Europäer nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern auf dem grünen Tisch ihre Konflikte lösen sollen.

Das sollte man sich vor Augen führen, wenn die EU unter deutschem Vorsitz im März ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Um die EU ist es nicht gut bestellt: abgehoben von den Bürgern, schwerfällig, entscheidungsschwach, ein bürokratischer Dschungel, ein Gebilde ohne Seele. Die europäische Ursprungsidee war genial, die Umsetzung jedoch mangelhaft.

Bei der Aufnahme von Rumänien und Bulgarien wurden von der EU aber nicht nur Fehler gemacht. Beide Länder mussten sich auf Geheiß der EU radikalen Reformen unterziehen. Die Vorgaben entsprangen nicht der Brüsseler Willkür, sondern sind schmerzhafte Anpassungen an eine moderne westliche Gesellschaft.

Die Anpassungen sind noch lange nicht abgeschlossen. Keine Fragen, beide Länder sind zu früh aufgenommen worden. Andererseits mussten Rumänien und Bulgarien beispiellose Auflagen über sich ergehen lassen, von Exportverboten von Lebensmitteln wegen der Hygienestandards über die Zwangsabschaltung von Kernkraftwerken bis hin zu Flugverboten für klapprige Flugzeuge. Die jubelnden Rumänen und Bulgaren wird bald der Katzenjammer einholen. ****

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