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Präsentation des Buches "Leben und Überleben" im Hohen Haus 26 Frauen erzählen über ihr Leben im 20. Jahrhundert

Wien (PK) - Frauen spielen in der Geschichte meist nur eine untergeordnete Rolle, und dennoch haben sie viel zu berichten. Nicht unbedingt von Schlachten und Fronten, von Kämpfen und Siegen, aber vom Leben und vom Überleben. Wie haben Frauen Geschichte erlebt? Wie sind sie mit den zeitgeschichtlichen Brüchen des vergangenen Jahrhunderts umgegangen? Wie haben sie agiert und reagiert? Um eben diese Fragen geht es in einem neuen Buch, das heute Abend im Parlament vorgestellt wurde. Elisabeth Welzig porträtiert 26 Österreicherinnen aus ganz unterschiedlichen kulturellen und sozialen Milieus. Die Frauen, die jüngste von ihnen 75 und die älteste 101 Jahre alt, erzählen aus ihrem Leben im ereignisreichen 20. Jahrhundert.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die aufgrund laufender Regierungsverhandlungen erst gegen Ende der Buchpräsentation kommen konnte, betonte, es gehe im vorliegenden Buch nicht zuletzt darum, Frauen sichtbar zu machen. Frauen hätten Geschichte, "das gehört immer wieder dokumentiert". Generell bekräftigte Prammer, in der Frauenpolitik brauche es Fortschritt und nicht Stillstand.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek stellte in Vertretung Prammers die Autorin des Buches vor und wies darauf hin, dass Welzig verschiedene Zugänge zum Thema des Buches hatte. Neben dem journalistischen Zugang habe sie etwa auch interessiert, ob und wodurch sich biographische Berichte von Frauen von biographischen Berichten von Männern unterscheiden. Jeder der porträtierten Frauen sei, so Heinisch-Hosek, ein kleines Denkmal gesetzt worden.

Zwei Zitate aus dem Buch hob Heinisch-Hosek besonders hervor: "An der Stellung der Frauen kann man erkennen, wie eine Gesellschaft ist", sagt etwa die kommunistische Widerstandskämpferin Maria Cäsar. Und die frühere Staatssekretärin Franziska Fast meint: "Ich habe immer gesagt: Jeder hat das Recht auf seine Meinung, aber ich auch."

Elisabeth Welzig dankte in ihrer kurzen Rede den interviewten Frauen. Diese seien bereit gewesen, über Erfahrenes und Gedachtes zu sprechen, auch wenn es teilweise sehr schmerzhaft gewesen sei, unterstrich sie und verwies auf die Rolle ihres Hundes Ronny, der als "Eisbrecher" fungiert habe.

Im Anschluss an die Vorstellung des Buches sprach Freda Meissner-Blau mit drei der porträtierten Frauen, der Publizistin und Balkan-Expertin Christine von Kohl, mit Maria Cäsar und mit der Emigrantin Trude Horvath, die 1961 wieder nach Wien zurückkehrte. Maria Cäsar zufolge stellt das Buch einen wertvollen Beitrag zur Frauenemanzipation dar, und es zeigt auf, dass Frauen immer schon wichtig für das Wohl und die Entwicklung der Gesellschaft waren. "Nur über die Geschichte können wir für die Zukunft lernen!", hob Cäsar überdies hervor und mahnte eine in Geschichte und Kultur verwurzelte vorausschauende Politik unter Wahrung menschlicher Grundwerte ein.

Für Christine von Kohl wiederum müssen erst Männer emanzipiert und von tradierten "Zwängen" befreit werden, bevor man von der Emanzipation von Frauen sprechen kann. Trude Horvath, die dritte der anwesenden porträtierten Frauen, sieht es als gefährlich an, sich als Opfer zu sehen, denn Selbstmitleid erschwere nur den Umgang mit dem Leben. Wichtig ist für sie die Beschäftigung mit der Entwicklung der Menschen. Diese Entwicklung sieht sie als Grundlage dafür, "dass sich etwas ändert, weil Geschichte wiederholt sich immer wieder".

Meissner-Blau selbst hielt fest, es sei die Verschiedenheit der einzelnen Biographien, die die Stärke des Buchs ausmachten. Neben intellektuellen Frauen erzählten Töchter von Kleinbauern und Hilfsarbeitern aus ihrem Leben, neben Widerstandskämpfern kämen auch Frauen, die mit den Nationalsozialisten sympathisierten, zu Wort. Es stehe bedeutend mehr in dem Buch, als es auf den ersten Blick den Anschein habe, sagte Meissner-Blau, die Porträts stellten einen Bericht über die Zeit- und Kulturgeschichte der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Erfreut zeigte sich Meissner-Blau darüber, dass mit der wachsenden Bedeutung von "Oral History" in der Geschichtsforschung auch das Interesse der Geschichtsforschung an Frauen gestiegen sei.

Das Buch

"Leben und Überleben" enthält Lebensbilder von 26 Frauen, nur wenige von ihnen einer größeren Öffentlichkeit bekannt: Lia Androsch, Antonia Bruha, Maria Cäsar, Franziska Fast, Gertrud Fussenegger, Rosaria Golsch, Grete Hamida, Hertha Heger, Erika Horn, Frieda Horvath, Trude Horvath, Inge Kirschschlager, Christine von Kohl, Edith Kramer, Ella Lingens, Grete Peter, Josefa Prelog, Agnes Primocic, Noemi Rastl, Hedy Reeds, Ilse Reibmayr, Gertrude Scholz, Eleonore Schönborn, Dolores Vieser, Maria Walch und Erika Weinzierl.

Sie habe unter anderem interessiert, inwieweit sich die Erfahrungen von Frauen und ihre Sicht der Geschichte von denen der Männer unterscheiden, schreibt Elisabeth Welzig im Vorwort. Was ist den Frauen im Rückblick auf ihr Leben wichtig? Wie weit wurden sie von ihren Eltern gefördert, ihre Persönlichkeit zu entfalten? Wie weit haben sie sich von den politischen Ereignissen vereinnahmen lassen? Dabei hat die Autorin die soziale Schichtung sowie den kulturellen und politischen Hintergrund der Frauen bewusst möglichst breit gefächert. So befinden sich unter den Erzählerinnen auch eine Sinti-Frau, eine slowenische Bäuerin, eine Altäbtissin, Kommunistinnen, Jüdinnen und Frauen mit nationalsozialistischer Vergangenheit.

Nicht alle Frauen seien, so Welzig, Heldinnen, sie habe aber Interviewpartnerinnen gesucht, die sie wegen ihres ereignisreichen, meist unkonventionellen Lebens neugierig gemacht haben und überdies über ein besonderes Reflexionsvermögen verfügten. In den Erzählungen verbinden sich so persönliche Geschichte, subjektiv Erlebtes und die großen politischen Ereignisse dieser Jahrzehnte zu einem Panorama des 20. Jahrhunderts aus spezifisch weiblicher Sicht. Die Gespräche sind in den Jahren 2002 bis 2003 geführt worden, für die Fotos zeichnet Werbefotograf Wolfgang Zajc verantwortlich.

Das Buch "Leben und Überleben. Frauen erzählen vom 20. Jahrhundert" von Elisabeth Welzig ist im Böhlau-Verlag erschienen, hat 288 Seiten und kostet 24.90 €.

HINWEIS: Fotos von der Buchpräsentation finden Sie - etwas zeitverzögert - auf der Website des Parlaments im
http://www.parlament.gv.at/pls/portal/url/PAGE/SK/FOTOALBUM/:
http://www.parlament.gv.at. (Schluss)

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