- 14.11.2006, 12:20:19
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Österreichische Alzheimer Gesellschaft stellt aktualisiertes Konsensusstatement "Demenz" vor
Wien (OTS) - Jeden Tag lösen WissenschaftlerInnen einen Teil des
Rätsels "Morbus Alzheimer". In den vergangenen zwei Jahren
beschäftigten sich laut der internationalen Datenbank PubMed 5.473
Arbeiten mit dieser Demenzform, an der 60 bis 80 Prozent aller
DemenzpatientInnen leiden. Die Österreichische Alzheimer Gesellschaft
präsentiert nun die relevantesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur
Therapie der Alzheimerkrankheit in ihrem aktualisierten
Konsensusstatement "Demenz". Der Dialog mit den
EntscheidungsträgerInnen wurde aufgenommen, um dem medizinischen
State-of-the-art eine adäquate Erstattungspraxis gegenüber zu
stellen.
"Seit unserem letzten Konsensusstatement 2004 hat sich das Wissen
um die Wirkungen der verschiedener Therapien wesentlich erweitert und
es sind eine Reihe von Indikationserweiterungen vorhanden", sagt
Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt, Neurologe an der Medizinischen
Universität Graz und Präsident der Österreichischen Alzheimer
Gesellschaft. "Gab es bisher relativ eng umschriebene Bereiche in
denen jeweils eine Klasse der Antidementiva eingesetzt wurde - und
für die auch eine entsprechende Erstattung in Österreich bestand - so
führt die neue wissenschaftliche Evidenz zu einer deutlichen
Erweitung des Indikationsgebietes der verfügbaren Antidementiva. Mit
anderen Worten: "Wir haben nun einfach mehr Möglichkeiten der
Therapie in den unterschiedlichen Stadien der Alzheimer Demenz. Diese
wissenschaftliche Evidenz ist bereits zum Großteil durch europäische
Zulassungen umgesetzt und es ist auch für Österreich zu fordern, dass
es zu entsprechenden Anpassungen bei der Erstattung der Medikamente
kommt", ergänzt Univ.-Prof. Dr. Peter Dal-Bianco von der
Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien
und Vorstandsmitglied der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft.
Prim. Prof. Dr. Gerhard Ransmayr, Vorstand der Neurologie am AKH Linz
und Vorstandsmitglied der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft,
sieht die Notwendigkeit, sich von der strikten MMSE-Regelung bei der
Medikamenten-erstattung zu trennen und damit PatientInnen und
ÄrztInnen mehr Therapieoptionen zu geben. Er weist auch auf neue
Indikationen hin und beurteilt in kritischer Weise den
Zulassungsstatus für andere Indikationen wie vaskuläre Demenz oder
Vorstufen der Alzheimer Demenz, die milde kognitive Beeinträchtigung.
Auch Verhaltensstörungen sind therapierbar
Die Alzheimertherapie zielt nicht allein auf die Vergesslichkeit
ab. "Im Lauf der Alzheimererkrankung kommt es oft zu
Verhaltensstörungen, Depressionen, Wahn oder Halluzinationen. Häufig
ist diese Belastung so groß, dass häusliche Betreuung nicht mehr
möglich ist", sagt Univ.-Prof. Dr. Josef Marksteiner,
Universitätsklinik für Psychiatrie an der Medizinischen Universität
Innsbruck und Vorstandsmitglied der Österreichischen Alzheimer
Gesellschaft. Auch hier kommen die Antidementiva Memantine und
Cholinesterasehemmer zum Einsatz. Eine Monotherapie reiche allerdings
oft nicht aus, um die Verhaltensstörungen deutlich zu lindern,
ergänzt Univ.-Prof. DDr. Peter Fischer von der Universitätsklinik für
Psychiatrie an der Medizinischen Universität Wien und
Vorstandsmitglied der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft: "Viele
PatientInnen brauchen eine Kombination von Antidementiva und
Antipsychotika. Die Therapie ist allerdings mit gewissen Risiken
verbunden. Daher ist es wichtig, Psychopharmaka erst dann
einzusetzen, wenn andere Maßnahmen unwirksam waren und dies unter
strengen Kautelen zu tun: Mehrere Metaanalysen zeigten, dass diese
Medikamente das Risiko für zerebro-vaskuläre Ereignisse, wie
Schlaganfall und Sterblichkeit erhöhen - zwar geringfügig, aber
signifikant", so Marksteiner. "Auch die alten Neuroleptika haben ein
ähnlich hohes Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse und
Sterblichkeit. Daher sollten alle Antipsychotika nur dann eingesetzt
werden, wenn die Symptome beträchtlich und andere Maßnahmen nicht
ausreichend sind", rät Marksteiner.
Keine Übereinstimmung mit aktuellen NICE Richtlinien
Es brauche also Fingerspitzengefühl bei der Therapie der
Verhaltensstörungen, so Fischer. Und Fingerspitzengefühl sei auch bei
der raschen Umsetzung des Konsensusstatements auf allen Ebenen
gefragt - im klinischen Alltag und auch in der Erstattungspraxis der
Krankenkassen. "Wir sind sehr besorgt über derzeitige Tendenzen, den
evidenz-basierenden Einsatz von Antidementiva einzuschränken", so
Ransmayr. "Konkret geht es um das britische National Institute for
Health and Clinical Excellence (NICE), dessen Empfehlungen nur für
den englisch-walisischen Raum gelten und vor allem ökonomische
Aspekte für dieses Gesundheitssystem anstellt." Schmidt sieht
besonders bedenklich, dass in diesen Empfehlungen DemenzpatientInnen
nur mehr über Spezialkliniken Medikamente erhalten können, womit
Flaschenhälse in der Versorgung geschaffen werden. Diese Entwicklung
soll in Österreich verhindert werden.
Dal-Bianco nimmt zu den vorliegenden NICE Richtlinien
(www.nice.org.uk), welche im November 2006 in Kraft treten, Stellung:
- Rechtzeitige Diagnose und Therapie sind ein Grundprinzip ärztlichen Handelns. - Der frühe Therapiebeginn hat sich nachweislich als wirksam erwiesen. - Es ist unethisch, PatientInnen mit leichter Alzheimer Demenz (MMSE-Scores im Bereich 20-26 Punkte), die aufgrund der NICE Empfehlungen von der Therapie mit Cholinesterasehemmern ausgeschlossen würden, keine wirksame Therapie zu gewähren. - Ebenso ist es unethisch, PatientInnen mit schwerer Alzheimerdemenz wirksame Therapien vollständig vorzuenthalten. - Unethisch ist auch im mittleren Schwerebereich keine alternative Therapieoption zu Cholinesterasehemmern anzubieten, obwohl Memantine in diesem Bereich in wissenschaftlich hochwertigen Studien als wirksam ausgewiesen wurden. - Die NICE Richtlinien sind aus wissenschaftlichen und ethischen Gründen abzulehnen.
"Leider werden Empfehlungen von NICE oftmals unkritisch
übernommen, um Restriktionen für den Einsatz von Antidementiva zu
begründen. Die Unterschiede zwischen dem britischen und dem
österreichischen System sind allerdings so gravierend, dass "NICE -
Argumente" in Österreich nicht gerechtfertigt sind," so Dal-Bianco.
Keine Kostensteigerung durch neue Empfehlungen
Die Österreichische Alzheimer Gesellschaft würdigt die
ökonomischen Engpässe unserer Gesellschaft und macht klar, dass eine
stets an den Stand der Wissenschaft angepasste Alzheimertherapie
nicht zwingend immer mehr Medikamente bei immer höher steigenden
Kosten bedeutet", so Schmidt. "Wir prüfen jeden Wirkstoff genau und
richten uns klar gegen die Verwendung von Substanzen, deren Wirkung
nicht wissenschaftlich einwandfrei belegt ist. Wir wollen den Einsatz
von nachgewiesener-maßen wirksamen Substanzen zum Nutzen unserer
PatientInnen. Wir wollen nicht, dass PatientInnen mit einem
Medikament behandelt werden, von dem sie nicht profitieren. Wenn
keine "Response" besteht, sollen Medikamente nicht weitergeführt
werden, aber wir brauchen Alternativen in den einzelnen Schweregraden
der Demenz. Für solche Alternativen bestehen nun Zulassungen, die es
auch in Österreich umzusetzen gilt. Eine solche gezielte
responseorientierte Anwendung erweitert die Möglichkeiten für
PatientInnen und ÄrztInnen und ist kostenneutral. Das ist die
Richtung, die wir zum Nutzen unserer PatientInnen in Österreich
beschreiten müssen. Im Übrigen zeigt auch eine europäische
Metaanalyse aus dem Jahr 2005, dass in Österreich jährlich etwa 1,1
Milliarden Euro für die Versorgung Demenz-kranker anfallen dürften.
Nur 25 Prozent davon sind allerdings medizinische Kosten - und davon
werden wiederum nur sechs Prozent für Medikamente ausgegeben.
Ransmayr: "Wir verstehen und unterstützen ökonomische Überlegungen
und wir haben auch die Pflicht, für die bestmögliche Versorgung
unserer PatientInnen einzutreten. Diesen Weg versuchen wir
kostenneutral zu beschreiten und haben den Dialog mit dem
Hauptverband aufgenommen, um diesem Ziel näher zu kommen."
(*) MMSE (Mini-Mental State Examination) ist ein einfacher
Standardtest, um das Stadium der Demenz einzugrenzen. MMSE 1-10
bedeutet schwere Demenz, MMSE 11-19 mittelschwere Demenz, MMSE 20-26
leichte Demenz, MMSE 27-30 gilt als Normalwert.
Rückfragehinweis:
Michael Leitner
Trimedia Communications Austria
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