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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Reibebaum, Trostspender und Visionär dringend gesucht" (Von Frido Hütter)
Ausgabe vom 27.10.2006
Graz (OTS) - Braucht Österreich ein Kulturministerium? Oder soll
die Kultur weiterhin "Chefsache" im Kanzleramt bleiben und von einem
Staatssekretär verwaltet werden?
Die ÖVP will die Sache belassen, wie sie ist. (Und wie sie weiland
von der Klima-SPÖ organisiert wurde.) Die Gusenbauer-SPÖ indes will
wieder zurück und fordert einen eigenen Kulturminister. Und
vermutlich hat sie damit Recht.
Derzeit sind die Kunst- und Kulturagenda auf drei Ministerien
verteilt: Frau Gehrer verwaltet die Bundesmuseen, Frau Plassnig hat
die Auslandskultur in Händen. Und den Rest verwaltet der oft
verdrossen wirkende Herr Morak, der hierarchisch unter Kuratel des
Kanzlers steht. - Und niemand scheint damit wirklich zufrieden zu
sein.
Beginnen wir mit Kunst, einem wesentlichen Teil von Kultur. Sie ist
hierorts eine Walstatt des Wehleids. Der Naturzustand vieler
heimischer Künstler ist die Gekränktheit. Sie findet sich bei
unterprivilegierten Kellerbühnenintendanten ebenso wie bei
angesehenen Literaten und Maler-Millionären. Sie ist einerseits die
Begleiterscheinung eines Subventionssystems, das weltweit noch immer
zu den spendabelsten zählt. Andererseits ist sie auch durch das
Fehlen eines personifizierten Trostspenders und/oder Reibebaums
chronisch geworden.
Kunst hat viel mit Emotion zu tun. Sie braucht Adressaten, in Galerie
und Theater ebenso wie in der Politik. Sie braucht Diskurs und dieser
will mit jemandem geführt werden, der auch die Letztverantwortung
trägt, einem Minister also.
Einem, der die Balance zwischen der nonkommerziellen, aber
zukunftsorientierten Labortätigkeit und der Pflege des
millionenwerten Kulturerbes bewältigt. Der weiß, dass Bildung die
wichtigste Grundlage jeglicher Kultur ist.
Kultur ist auch Wirtschaft: Viel mehr Menschen (über drei Millionen)
besuchen im Jahr die Bundesmuseen als die Bundesfußballstadien (rund
eineinhalb Millionen). Und etwa 80 Prozent der Staatsopernbesucher
stammen nicht aus Wien. Paris wäre ohne Louvre und Bastille-Oper
immer noch halbwegs Paris. Was aber wäre Wien ohne Opern und Museen?
Der Wallfahrtsort zum gleichnamigen Schnitzel höchstens.
In wenigen Ländern der Welt ist Kultur so nahtlos mit der
Gesamtidentität der Nation verbunden wie bei uns.
Das allein sollte schon reichen, der Bildung und Kultur ein
schlagkräftiges Ministerium zuzubilligen. Eher bald wird Kultur eines
der letzten Güter sein, die Österreich im globalen Supermarkt
erfolgreich feilbieten kann. ***
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