- 13.06.2006, 20:55:44
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Ahnungslose Aufsichtsräte sind nicht Zufall, sondern System" (Von Ernst Sittinger)
Ausgabe vom 14.06.2006
Graz (OTS) - Was muss man eigentlich können und wissen, wenn man
am Türschild "Eigentümervertreter" oder "Aufsichtsrat" stehen hat?
Die Antwort wird in diesen Tagen erschreckend klar: Je weniger, desto
besser. Am besten gar nichts. Denn Gewerkschafter aller Preisklassen
überbieten sich derzeit im Vogel-Strauß-Wettbewerb zum Thema
"absolute Ahnungslosigkeit in Sachen Bawag".
Die Unterschrift Rudolf Hundstorfers beim Transfer der Bankschulden
in den ÖGB? Tut sehr leid, war alles nur naive Malerei! Der Beschluss
von 27 Aufsichtsräten über die skandalöse
6,8-Millionen-Pensionsabfindung für Bankchef Elsner im Dezember 2000?
Keine Ahnung, war halt ein bissl phantastischer Irrealismus!
Nichts gewusst, leider angelogen, erst in letzter Minute
hingeschickt: es sind Schulbuben-Ausreden, mit denen die
Aufsichtsorgane sich aus der Affäre zu ziehen trachten. Dass bei
einer 7-Millionen-Abfindung keiner der anwesenden Kapazunder den Mut
bzw. Mund aufbringt, um auch nur nach der Summe zu fragen, ist stark.
Und leider muss man geneigt sein, diesen geistigen
Bankrotterklärungen auch noch Glauben zu schenken.
Denn dahinter steckt ein Mangel an Kontrollkultur, der auch schon in
anderen Skandalen eine Rolle spielte - man denke an die Estag. Dass
Aufsichtsräte aufgrund einer Aktiengesetz-Novelle seit Jahresbeginn
"fachliche Qualifikation" nachweisen müssen, hat daran leider nichts
geändert. Allzu oft geben sie sich mit träger Routine zufrieden - man
wird schon keinen Richter brauchen. Dabei übersehen sie eines: Nicht
nur Macht braucht Kontrolle (wie man häufig auf Wahlplakaten liest),
sondern Kontrolle braucht auch Macht. Diese Macht hätten
Aufsichtsgremien nur dann, wenn sie kritische Wachsamkeit an den Tag
legen und auch scheinbar "logische" Abläufe in Frage stellen.
Diese Courage zählt nicht zu den häufigen Kernkompetenzen im Land -
in den Gewerkschaftskadern schon gar nicht. Viele Aufsichtsräte sehen
ihre Mandate als leicht verdientes Zusatzeinkommen. Und sie bedanken
sich dafür mit berechenbarem Wohlverhalten. Die Strukturen - etwa
Kreuzverflechtungen zwischen Vorständen, die einander gegenseitig
kontrollieren - begünstigen Kumpanei statt Kontrolle.
Ändern wird sich das erst, wenn individuelles Kontrollversagen
drakonisch geahndet wird. In Deutschland werden jetzt erstmals nach
großen Firmenzusammenbrüchen (Bremer Vulkan, Babcock Borsig) private
Haftungen eingeklagt - das wäre für Österreich ein Modell. ****
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