• 13.06.2006, 17:35:24
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"Die Presse" Leitartikel: 2009: Das Morak-Jubel-Jahr (von Norbert Mayer)

14.06.2006

Wien (OTS) - Die zweite Wahl: Wie ein schwarzer Staatssekretär
Burg und Oper langfristig zur Provinz macht.

Es gibt Tage, da wünscht man sich, in Franz Moraks Kopf zu sein. Was
geht in den Windungen des schwarzen Staatssekretärs für Kunst und
Medien wirklich vor, wenn er staatstragende Entscheidungen fällt?
Denkt er an die selige Schauspieler-Zeit, als er und Robert Meyer
unter dem großen Theatermacher Claus Peymann an der Burg Lehrjahre
des Herzens erleben durften? Denkt er schlicht an seinen Kanzler
Wolfgang Schüssel? Oder denkt er an die Zukunft?
Zum Beispiel an 2009. In diesem gar nicht mehr so fernen Jahr wird
sich zum Ganzen fügen, was der Staatssekretär von langer Hand geplant
hat, was nur bei oberflächlicher Betrachtung wie eine Reihe seltsamer
Entscheidungen aussieht. 2009 werden die drei Bundestheater von
Funktionären geleitet werden, die ihre Bestellung oder
Wiederbestellung Morak verdanken. Allein aus diesem Grund ist es
angebracht, 2009 als Morak-Jubel-Jahr zu bezeichnen. Da wird in Wien
gesungen und gespielt, wie es sich die ÖVP vorstellt. Mag dann der
Bundeskanzler Pröll, Häupl, Van der Bellen oder Strache heißen. Die
Bundes-Hochkultur trägt in drei Jahren die exklusive Handschrift
Franz Moraks.
Was also denkt sich der Staatssekretär an einem Tag wie jenem, an dem
er den künftigen Direktor des Burgtheaters vorstellt? "Applaus!",
denkt er sich wohl, und er hat ihn bereits vorauseilend bekommen. Es
freut sich der immerwährende Staatsoperndirektor, es freut sich der
künftige Volksoperndirektor, dass Matthias Hartmann in ihrem Bunde
der Dritte wird. Es freut sich die ganze Bundestheater-Familie, dass
Morak gewonnen hat. Was eint die vier Herren, die doch so verschieden
an Manieren und Charakter scheinen, in ihrer Vorfreude? Der Hass aufs
Regietheater.

Ioan Holender, in der konservativen Führung der Staatsoper finanziell
sehr erfolgreich, hält mit seiner Abneigung gegen allzu
experimentierfreudige Regisseure nicht hinter dem Berg. Sein Vertrag
als Staatsoperndirektor wurde von Morak bis 2010 verlängert. Robert
Meyer hat seine Vorliebe für konventionelle Operette bereits mehrfach
kundgetan. Er wurde von Morak mit der künftigen Führung der heiklen
Volksoper betraut, obwohl sich seine Leitungsfunktion bisher auf
vereinzelte provinzielle Regiearbeiten beschränkt hat. Und Hartmann?
Immerhin kommt der aus Bochum und hat das Schauspielhaus Zürich auch
schon fast eine Saison lang geleitet. Nun, er beweist nicht nur beim
Job-Hoppen Gelenkigkeit. Vorab zur Bestellung hat er "News"
gestanden, dass er das didaktische Theater der
Achtundsechziger-Generation nicht mag. Wen wundert es also, dass
Morak den braven Hartmann monatelang beobachtet hatte, während er
widerborstige Theaterleute wie Andrea Breth, Martin Ku?ej oder
Elisabeth Schweeger ignorierte. Sie alle sind erstklassige Leute, die
einen Bezug zu Österreich haben - aber eben eigenständig.
Die einsamen Personalentscheidungen des Staatssekretärs kann man so
subsumieren: Morak betreibt den Exorzismus des Pappnasen-Theaters.
Nichts mehr wird hierzulande 2009 an Claus Peymann erinnern. Nach der
Weichenstellung für 2009 muss man auch die übrigen programmatischen
Aussagen Moraks ernst nehmen. Er setzt sich für das Regionale,
Provinzielle der Kultur ein. Symbol dafür ist seine demonstrative
Liebe zum Theater in Oberzeiring. Es ist also keine Kunst
vorauszusagen, dass die Bundeshauptstadt 2009 Oberzeiring geistig
näher sein wird als heute. In den Bundestheatern wird dann wieder
gefälliges Theater gemacht, die Zeit der Aufregungen wird vorbei
sein. Es kommt das große Schauspielertheater. Vielleicht steigt die
nächste Geburtstagsparty für Morak nicht im Kunsthistorischen Museum,
sondern als Heimspiel an der Burg.

Ach ja, beinahe wurde hier vergessen, dass sich auch der künftige
Direktor der Josefstadt über die Bestellung Hartmanns freut. Herbert
Föttinger hat allen Grund zum Jubeln. Für ihn sieht das Jahr 2009 so
aus: Die Josefstadt zählt zur Avantgarde, sie hebt sich provokant von
der dramaturgisch korrekten Burg und dem noch immer schwer
beschädigten Volkstheater ab. An der Volksoper werden nun neben der
"Lustigen Witwe" fallweise auch der "Zigeunerbaron" und die
"Fledermaus" gespielt, mit dem Direktor als Frosch. Der Minister für
Museen, Medien und Sport erwägt, das Haus am Gürtel zum
Operetten-Museum zu machen. Die Umwidmung der Staatsoper zum
Klassiker-Museum habe sich bewährt. Es gibt Tage, da wünscht man sich
einen freien Kopf.

Rückfragehinweis:
Die Presse
Chef v. Dienst
Tel.: (01) 514 14-445

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