• 13.06.2006, 12:35:23
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Matthias Hartmann über seine Pläne

Der designierte Burgtheaterdirektor im NEWS-Interview

Wien (OTS) - Der Zürcher Schauspielintendant Matthias Hartmann,
der heute als Burgtheaterdirektor ab 2009 bekanntgegeben wird, legt
in einem ausführlichen Interview für die morgen erscheinende
NEWS-Ausgabe die Grundzüge seines Konzepts vor. Das autorisierte
Gespräch entstand vor einigen Wochen mit dem Vorbehalt, es im Fall
von Hartmanns Ernennung zu veröffentlichen.

Hartmann über das Burgtheater: "Das ist ein Respekt einflößender
Koloss, dem man sich mit Leib und Seele, mit allen Kräften zur
Verfügung stellen muss. Die Frage ist: Wie überträgt man ein solches
Erbe in die Moderne und beschützt es gleichzeitig vor der Zersetzung
durch Strukturwandel und Modeerscheinungen? Das Haus ist derzeit gut
aufgestellt. Das ist ein Ort mit Erotik und Strahlkraft, an dem sich
die besten Schauspieler und die besten Regisseure versammeln (...)
Dort muss alles stattfinden. Es ist vollkommen falsch, ihm mit Gewalt
ein Konzept verpassen zu wollen. Es muss sich sternförmig auf alle
Möglichkeiten des theatralischen Erzählens ausbreiten. Es braucht die
großen Klassiker, und es muss ein Uraufführungstheater sein, mit
Stückaufträgen an die großen österreichischen Dramatiker und mit der
Entdeckung neuer. Es darf vor Konventionalität so wenig Angst haben
wie vor dem Experiment. Ich ertrage keine Einengung. Ich kann doch
nicht eine Arbeit von Robert Lepage ablehnen, weil ich Peter Zadek
und Andrea Breth gut finde!"

Hartmann über Claus Peymanns Vorwürfe, das Haus zeige zu wenig
politischen Einmischungswillen: " Da trennen uns Welten. Die Zeit hat
sich geändert. Diese Generation von Theatermachern meint, das Theater
sei eine pädagogische Anstalt, und sie hätten eine Art Lehrauftrag in
Richtung eines unmündigen Publikums. Ich kann diese Anmaßung nicht
teilen, und die Menschen haben es auch satt. Ich werde ja nicht
allwissend, nur, weil ich ein Theater leite! Das Theater ist dafür
gegründet worden, herauszufinden, ob dieser Mann Ödipus, der, ohne es
zu wissen, seine Mutter heiratet und seinen Vater tötet, daran Schuld
hat oder nicht. Es ist ein Ort, an dem gemeinsam Fragen gestellt
werden, die uns ewig archaisch bewegen werden."

Hartmann über Peter Handke: Er würde nie eine Aufführung aus
politischen Gründen absagen, " obwohl ich Verständnis dafür
aufbringen kann, dass man sich durch seine Äußerungen beleidigt fühlt
und einem Dichter, der einen Kriegsverbrecher unterstützt, kein Forum
geben möchte. Aber er ist der österreichische Nationaldichter, gehört
ans Burgtheater und verdient jederzeit den Nobelpreis. Ich persönlich
finde trotzige Reaktionen wie die seinen außerordentlich sympathisch
und würde ihn gern einmal kennenlernen. Mich interessiert, weshalb
ein Mensch von solch hoher Vernunft augenscheinlich eine Position
vertritt, die sich gesellschaftlich schwer kommunizieren lässt."

Hartmann über das Berufsbild des Intendanten: "Ein Katalysator,
der aus einem alchimistischen Gebräu explosive Mischungen erzeugt. Er
muss das Theater lieben, das ist das Wichtigste. Das Ethos muss über
all seinem Wirken und Handeln stehen. Und er muss in seinen
Entscheidungen gerecht und zuverlässig sein."

Hartmann über Andrea Breth, die selbst an der Direktion Interesse
zeigte: "Ich habe von ihr großartige Inszenierungen gesehen, wir
haben einander kennen gelernt und gut verstanden. Wer ihr nicht alle
Möglichkeiten und alle Konstellationen gibt, am Burgtheater zu
arbeiten, ist ein Armleuchter."

Hartmann über Schlingensief: "Bei ihm übertrifft das spekulative
Element bisweilen das künstlerische, und für mich geht es einzig
darum, was sich auf der Bühne ereignet. Aber seine Qualifikation als
Medienclown ist beispiellos."

Hartmann über Forderungen des Burgtheaters nach
Subventionserhöhung: " In Bochum und Zürich habe ich das nicht
gebraucht. Ich konnte meine Einnahmen behalten, die Einnahmen waren
entsprechend hoch, und es war immer mein Ehrgeiz, mit den Mitteln
auszukommen. Ein Theater tut sich keinen Gefallen, wenn es ständig in
der Öffentlichkeit wehklagt. Die Menschen haben diese larmoyante
Haltung satt. In der Öffentlichkeit sollte das Bild entstehen, dass
das Theater ein gesunder, optimistischer, produktiver Betrieb ist.
Außerdem ist das Burgtheater doch ein gut dotiertes Haus, soweit man
es von außen sehen kann!"

Hartmann über seinen Ruf als Theater-Yuppie: "Ich kenne den
Vorwurf und würde mir manchmal wünschen, dass die Dinge für mich
problematischer wären, damit mir das nicht so oft nachgesagt wird.
Ich habe auch mehrfach erwogen, mit meinen Depressionen hausieren zu
gehen, um dem Feuilleton zu genügen, diesen Gedanken aber wieder
verworfen. Aber im Ernst: Wer mich einen Yuppie nennt, soll sich
vergegenwärtigen, wie ich mich durch die Provinz gefressen habe. Ich
war vier Jahre lang Regieassistent, das ist bei mir keiner. Ich habe
in Kiel, Krefeld und Wiesbaden meine Inszenierungen gemacht. Ich
hatte Zeiten der Arbeitslosigkeit. Ich habe mich sogar bei Dieter
Haspel im Ensembletheater am Petersplatz in Wien als Regieassistent
beworben und wurde nicht genommen."

Rückfragehinweis:

Sekretariat NEWS
    Chefredaktion
   Tel.: (01) 213 12 DW 1103

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