- 07.06.2006, 18:01:45
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Soll die Kontrollbefugnis des Rechnungshofs ausgeweitet werden? Besonderer Ausschuss debattiert demokratische Kontrollrechte
Wien (PK) – Um die Frage, inwieweit demokratische Kontrollrechte
ausgeweitet werden sollen beziehungsweise inwieweit diese
ausreichend sind, ging es heute im Besonderen Ausschuss zur
Vorberatung des Berichts des Österreich-Konvents, vorgelegt vom
Bundeskanzler (III-136 d.B.). Zentrale Punkte dabei waren der
Umfang der Prüfungskompetenz von Rechnungshof und
Volksanwaltschaft, die Ausdehnung der Auskunftspflicht und die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht.
Dabei zeichnete sich eine grobe Trennlinie zwischen der ÖVP
einerseits und der SPÖ, den Grünen und dem BZÖ andererseits ab.
Während sich die Abgeordneten der ÖVP für eine vorsichtige
Vorgangsweise aussprachen, um das aus ihrer Sicht gut
funktionierende Gleichgewicht nicht zu gefährden, traten die
anderen Fraktionen dezidiert für eine weite Öffnung der
Auskunftspflicht, für die Ausweitung der Kontrollrechte des
Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft und die Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht ein. Einig war man
sich darin, dass Volksbegehren am Ende einer Gesetzgebungsperiode
nicht verfallen sollten. Grundlage für die Diskussion war eine
schriftliche Zusammenstellung der Textvorschläge der einzelnen
Parteien zum Themenbereich "Demokratische Kontrolle".
Die Diskussion wurde von Abgeordnetem Peter Wittmann (S)
eröffnet, der die Kernpunkte aus der Sicht der SPÖ
zusammenfasste. Ihm zufolge treten die SozialdemokratInnen für
ein weitergehendes Auskunftsrecht anstelle der, wie er sagte,
restriktiven Amtsverschwiegenheit ein. Weiters sollten
Untersuchungsausschüsse bereits aufgrund eines Verlangens eines
Drittels der Abgeordneten eingesetzt werden können und die
Kontrollrechte von Rechnungshof und Volksanwaltschaft ausgebaut
werden. Auch sollten die Volksbegehren nicht am Ende einer
Gesetzgebungsperiode verfallen.
Abgeordneter Markus Fauland (F-BZÖ) replizierte auf die von
Rechnungshofpräsident Josef Moser vor kurzem in der
Öffentlichkeit artikulierten Vorschläge zur Ausweitung der
Prüfungskompetenzen des Rechnungshofes. Seitens seiner Fraktion
würden diese vollinhaltlich unterstützt, betonte er. Vor allem
halte er es nicht für zielführend, Gemeinden und Gemeindeverbände
nur der Zuständigkeit der Landesrechnungshöfe zu unterwerfen,
zumal der Bund durch den Finanzausgleich einen großen Beitrag zur
Finanzierung der Gemeinden leiste.
Harte Kritik an der Haltung der ÖVP übte Abgeordnete Terezija
Stoisits (G), indem sie der Regierungspartei vorwarf, sogar
hinter die eigenen Vorschläge, die die ÖVP im Konvent vorgelegt
hatte, zurückgefallen zu sein. Als Beispiele führte Stoisits die
ihrer Ansicht nach von der ÖVP geforderte Einengung der
Rechnungshofkontrolle sowie die Reform der Auskunftspflicht an.
Dem gegenüber ortete sie bei SPÖ und BZÖ eine positive Bewegung
und konstatierte eine weitgehende Übereinstimmung zwischen diesen
beiden Parteien und den Grünen bei folgenden Positionen: die
Reform der Auskunftspflicht, die Ausweitung der direkten
demokratischen Instrumente, die Ausweitung der Kontrollrechte von
Rechnungshof und Volksanwaltschaft sowie die Ausweitung der
Minderheitsrechte, insbesondere in Hinblick auf die Einsetzung
von Untersuchungsausschüssen und das Fragerecht in den Landtagen.
Was die Prüfungskompetenz des Rechnungshofs betrifft, trat die
grüne Abgeordnete dafür ein, Unternehmen, die sich zu 25 % in
öffentlicher Hand befinden oder für die der Bund eine
Ausfallshaftung übernommen hat, prüfen zu können. Ebenso sollte
dies für Gemeinden mit unter 20.000 Einwohnern gelten. Stoisits
hielt es auch für erforderlich, die rechtmäßige Verwendung von
EU-Fördergeldern zu kontrollieren. Die Ausdehnung der
Auskunftspflicht bezeichnete Stoisits als ein besonderes Anliegen
der Grünen, da dies in einer modernen Bürgergesellschaft
selbstverständlich sein sollte.
Dem gegenüber mahnte Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) zur
Vorsicht. Man habe in den letzten Jahrzehnten mit den vorhandenen
Kontrollrechten gute Erfahrungen gemacht, stellte er fest. Es
gebe ausreichend Transparenz, sagte er und konstatierte aus
seiner Sicht, eine Ausgewogenheit zwischen Minderheitsrechten und
Mehrheitsentscheidungen. Dieses Gleichgewicht gelte es zu
bewahren. Sollte es zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, ob
ein Unternehmen der Rechnungshofkontrolle unterliegt, so sollte
dies vom Verfassungsgerichtshof entschieden werden. Donnerbauer
konnte dem Vorschlag zur Wiedereinführung der Position eines
Vizepräsidenten im Rechnungshof einiges abgewinnen. Den Vorwurf
der Grünen, die ÖVP wolle die Rechnungshofkontrolle einengen,
wies er entschieden zurück. Für nicht sinnvoll erachtete er die
Forderung, wonach eine Beteiligung des Bundes unter 50 % an
Unternehmen zur Rechnungshofkontrolle führt, da dies eine
Wettbewerbsbenachteiligung nach sich ziehen würde. Ähnlich
kritisch äußerte er sich zu den Wünschen nach einer Ausweitung
der Rechnungshofkontrolle bei den Gemeinden, da dies der
Gemeindeautonomie zuwiderliefe.
Strikt wandte er sich gegen eine weitgehende Öffnung der
Auskunftspflicht, da seiner Meinung nach Probleme mit dem
Datenschutz heraufbeschworen würden. Er zeigte sich deshalb auch
verwundert über die Haltung der Grünen, die doch immer gegen den
"gläsernen Menschen" einträten. Außerdem gebe es vor allem im
Bereich der Sicherheit berechtigte Anliegen des Staates, weshalb
man diese Frage behutsam behandeln müsse, meinte er. Die Expertin
der Grünen, Marlies Meyer, stellte daraufhin klar, die Grünen
verlangten keineswegs eine schrankenlose Auskunftspflicht,
sondern würden selbstverständlich eine Grenze ziehen, wo die
Grundrechte Einzelner betroffen wären. Daher würde der Artikel 8
Abs. 2 MRK als Vorbehalt gelten.
Was die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als
Minderheitsrecht betrifft, wies Donnerbauer auf die
unterschiedliche Praxis in andere Staaten hin. Außerdem hätte die
Erfahrung gezeigt, dass Untersuchungsausschüsse oft als
politisches Instrument verwendet würden, um politisch Stimmung zu
machen, und das tue der Sache nicht gut. Diskussionswürdig war
für ihn aber die Forderung der Geltungsdauer von Volksbegehren
über die Legislaturperiode hinaus.
Rechnungshofpräsident Josef Moser präsentierte nochmals die
Forderungen des Rechnungshofes und konzentrierte sich dabei auf
die Kontrolle der Gemeinden. Auch kleinere Gemeinden der
Kontrolle zu unterwerfen, halte er schon deshalb für notwendig,
weil der Rechnungshof ein Organ des Nationalrats und der Landtage
sei und seit der Verfassungsreform des Jahres 1929 die
Finanzkontrolle immer einheitlich gestaltet gewesen sei. Sowohl
über den Finanzausgleich als auch verstärkt über die
Transferleistungen erhielten die Gemeinden nach Aussage Mosers
seitens des Bundes hohe finanzielle Mittel. Gerade hinsichtlich
der starken Vernetzung und der knapper werdenden Mittel sei eine
effiziente Verwendung der Mittel in allen Gebietskörperschaften
notwendig. Es wäre daher fatal, so Moser, eine Ebene aus der
Kontrolle herauszunehmen. Der Rechnungshof ergänze sich bereits
jetzt sehr gut mit den Kontrolleinrichtungen in den einzelnen
Gemeinden und es werde sicherlich zu keinem "Prüfungsoverkill"
kommen, versicherte er. Man brauche eine Gesamtsicht, bekräftigte
Moser mit dem Hinweis auf die Maastricht-Kriterien, in deren
Berechnungen auch der Gesamtstaat herangezogen wird.
Der Rechnungshofpräsident wurde darin von seinem Vorgänger und
dem Präsidenten des Österreich-Konvents, Franz Fiedler,
unterstützt. Derzeit könne der Rechnungshof Gemeinden unter
20.000 Einwohnern nur auf Ersuchen der Landesregierung prüfen,
und das vertrage sich weder mit der Selbständigkeit des
Rechnungshofs noch mit dessen Stellung als Kontrollorgan der
Legislative. In Bezug auf die Unternehmen habe es im Konvent eine
Annäherung gegeben, diese bei einer 25-prozentigen Beteiligung
der öffentlichen Hand prüfen zu können, sofern es sich um
Aktiengesellschaften handle. Er begrüße nun aber die Vorschläge,
alle Firmen ab diesem Beteiligungsprozentsatz zu prüfen, sowie
auch jene, für die der Bund eine Ausfallshaftung übernommen hat.
Die Vorschläge der ÖVP in diesem Zusammenhang kritisierte auch er
als eine Einschränkung bisheriger Kompetenzen, da der
Rechnungshof dann von den Ländern und den Landesrechnungshöfen
abhängig wäre. Abschließend sprach sich Fiedler, wie auch
Präsident Moser, dezidiert für die Wiedereinführung der Position
eines Vizepräsidenten des Rechnungshofes aus.
Die Abgeordneten Günther Kräuter (S) und Terezija Stoisits (G)
begrüßten die Aussagen von Moser und Fiedler, wobei sich Kräuter
für die Fortsetzung der Diskussion über das Thema Kontrollrechte
aussprach. Großen Diskussionsbedarf sah er zu den Fragen der
Untersuchungsausschüsse und des Interpellationsrechts. Scharf
kritisierte er die Vorgangsweise im Rechnungshofausschuss, vor
allem in Hinblick auf die Ladung von Auskunftspersonen, und
zeigte sich höchst unzufrieden über die Art der Behandlung der
Rechnungshofberichte. Ihm fehlen insbesondere entsprechende
Konsequenzen.
Abgeordnete Stoisits sah sich in ihrer Auffassung durch Präsident
Fiedler bestätigt und betonte, die Landesrechnungshöfe seien
jenseits der Standards von Unabhängigkeit angesiedelt. Die Frage
des Vizepräsidenten lasse sie, wie sie sich ausdrückte, kalt. Als
eine Bedingung dafür formulierte sie aber das Erfordernis der
Wahl durch eine Zweidrittelmehrheit sowie auch die Möglichkeit
der Abwahl durch das gleiche Quorum.
Klaus Poier von der Uni Graz und Fraktionsexperte der ÖVP
bescheinigte der demokratischen Kontrolle sowie den Instrumenten
der direkten Demokratie in Österreich hohe Standards. Ein
etwaiger Ausbau dieser Rechte sollte auf einer Übereinkunft aller
Parteien beruhen. Die Forderungen zur Ausweitung der
Rechnungshofkontrolle hielt er für diskussionswürdig, er warnte
aber vor Mehrfachprüfungen. Poier machte sich in seinem Statement
für die Verfassungsautonomie der Länder stark und plädierte bei
Festlegung von Mindeststandards für die Möglichkeit, Experimente
zuzulassen.
Friedrich Slovak vom Österreichischen Städtebund nahm eine
Gegenhaltung zu den Forderungen des Rechnungshofpräsidenten ein
und wies darauf hin, dass die Gemeinden die einzigen
Gebietskörperschaften gewesen seien, die ihren Beitrag im Rahmen
des Stabilitätspakts geleistet haben. Die Bevölkerung habe der
Arbeit der Gemeinden eine effiziente Verwaltung attestiert, und
diese demokratische Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger
sei in den Gemeinden wesentlich wirksamer als auf den anderen
Ebenen. In den Gemeinden bestünden genügend
Kontrolleinrichtungen, wie Prüfungsausschüsse oder Kontrollämter
mit einer weisungsfreien Leitung, unterstrich Slovak. Die
Schulden einiger Gemeinden entstünden vor allem durch den hohen
Mittelbedarf für die Spitalserhaltung. Aus all diesen Gründen
lehnte Slovak eine Prüfung von Gemeinden unter 20.000 Einwohnern
durch den Bundesrechnungshof ab, denn diese unterstünden ohnehin
der Aufsicht der Länder und eine doppelte Aufsicht halte er für
nicht sinnvoll. (Schluss)
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