- 06.03.2006, 18:14:40
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Iran, Uran und die Atom-Beschwichtiger
"Presse"-Leitartikel von Christian Ultsch
Wien (OTS) - Wer riskiert, dass das iranische Regime auch nur in
die Nähe der Atombombe kommt, handelt grob fahrlässig.
Durch eine völkerrechtliche Brille für Kurzsichtige betrachtet, hat
Teheran gar keine schlechten Karten. Denn nach den Buchstaben des
Atomwaffensperrvertrages ist es den Iranern gestattet, Uran
anzureichern. Das Problem ist nur, dass niemand, der seine sechs
Sinne beisammen hat, dem Mullah-Regime guten Gewissens über den Weg
trauen kann. Denn aus angereichertem Uran lässt sich nicht nur
Kernenergie zum Zwecke einer strahlenden iranischen
Straßenbeleuchtung gewinnen, sondern leider auch die eine oder andere
Atombombe.
Spätestens seit 2003 steht der Iran unter wohl begründetem Verdacht,
ein geheimes militärisches Nuklearprogramm zu halten. Die
Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), eine für ihre Friedensliebe
mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Organisation, hielt damals schwarz
auf weiß fest, dass der Iran eine gezielte Täuschungspolitik
verfolge. Darauf deuteten unterirdische Nuklearanlagen ebenso hin wie
undeklarierte Importe von Uran und Atomtechnik.
Schon zu diesem Zeitpunkt hätte der Sicherheitsrat auf den Plan
gerufen werden müssen. Doch die Europäer wollten Teheran eine Chance
geben. Die Idee hinter den Verhandlungen: Teheran sollte auf die
Uran-Anreicherung verzichten und dafür im Gegenzug wirtschaftlich
belohnt werden. Die Mullahs ergriffen die Hand nicht, die ihnen die
EU mit dem Segen der USA reichte. Je verfahrener die Situation im
Irak wurde, desto dreister traten sie auf. Völlig auf Konfrontation
schaltete der Iran schließlich nach der Wahl Mahmoud Ahmadinejads zum
Präsidenten um.
Das ging so weit, dass der Iran das Abkommen mit der EU, das eine
Suspendierung des Nuklearprogramms vorsah, platzen ließ. Und der Iran
begann, "für wissenschaftliche Zwecke" Uran anzureichern. Gegen
konstruktive Kompromisse legte sich Teheran bisher quer; auch gegen
den Vorschlag, Uran in Russland anzureichern. Diese noch immer nicht
ganz vom Tisch gewischte Option hätte den Vorteil, dass der Iran das
angereicherte Uran nicht so leicht fürs Militär abzweigen könnte.
Und was, wenn auch der russische Joker nicht sticht?
Völkerrechts-Seminaristen und Beschwichtiger tendieren dazu, dem Iran
doch in Gottes Namen das Recht auf Uran-Anreicherung zu lassen. Den
besonders Weichen und Pseudo-Gerechtigkeitsfanatikern unter ihnen ist
es letztlich auch egal, ob der Iran nun die Bombe hat oder nicht.
Israel und Indien hätten sie doch auch, raunen sie. Und außerdem habe
US-Präsident Bush die Inder, die (ebenso wie Israel) dem
Atomwaffensperrvertrag gar nicht erst beitraten und sich so in den
Klub der Atommächte schlichen, eben erst mit großherziger nuklearer
Kooperation bedacht. Hier werde mit doppeltem Maß gemessen, heißt es
entrüstet.
Tatsächlich hat Bush mit dem indischen Deal dem
Atomwaffensperrvertrag alles andere als einen guten Dienst erwiesen.
Denn dadurch entsteht der Eindruck, dass ein Staat mit nuklearen
Ambitionen besser fährt, wenn er sich gleich von Anfang an nicht um
internationale Regeln schert.
Und doch müssen der Iran und seine Freunde gar nicht erst lang
Doppelstandards beklagen. Denn es ist eben ein Unterschied, ob eine
demokratische Regierung wie die indische über Atomwaffen verfügt oder
der islamistische Iran. Indien hat bis dato noch keinem Nachbarn
gedroht, ihn von der Landkarte zu tilgen. Dieses Privileg blieb
Ahmadinejad vorbehalten, der davon schwärmte, den "Schandfleck
Israel" auszuradieren. Indien fördert auch keine Terrorgruppen. Der
Iran indes unterstützt von der Hisbollah bis zum Islamischen Dschihad
fast alles, was sich einen Sprengstoffgürtel umschnallen kann. Es
wäre fahrlässig, solch einem Regime zu ermöglichen, seine
Zerstörungsfantasien zu verwirklichen. Deshalb muss sichergestellt
werden, dass der Iran nicht mal in die Nähe einer Atombombe kommt.
Es kann sein, dass sich die Mullahs auch durch Sanktionen oder
Militärschläge nicht hindern lassen, nach der Atombombe zu greifen.
Ja, möglicherweise beschleunigt ein Eskalation erst die
Entschlossenheit des Iran, nuklear aufzurüsten. Doch die Hände in den
Schoß zu legen, kann für die Weltgemeinschaft keine Option sein. Sie
muss mit aller Härte klarmachen, dass sie das Risiko einer Atombombe
in Händen apokalyptischer Hitzköpfe vom Schlag eines Ahmadinejad
nicht duldet. Das kann teuer werden, ist aber unumstößliches Gebot
weitsichtiger Realpolitik. Ganz abgesehen davon, dass die Wahrung der
internationalen Sicherheit ein höheres völkerrechtliches Gut ist als
das Recht des Iran, Uran anzureichern.
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