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DER STANDARD-Kommentar: "Volksbegehren gegen Schüssel" von Michael Völker

"Gelingt der FPÖ mithilfe der "Krone" die Mobilisierung, gerät der Kanzler ins Trudeln"; Ausgabe vom 10. 01. 2006

Wien (OTS) - Die FPÖ ist für die Neutralität, gegen die EU, auch gegen eine allfällige neue Verfassung und selbstverständlich gegen einen Beitritt der Türkei. Damit liegt die FPÖ voll im österreichischen Trend. Und das lässt sie jetzt abstimmen. "Österreich bleib frei!" heißt jener flehentliche Aufruf, den die Blauen mittels eines Volksbegehrens im März, also mitten in der österreichischen Ratspräsidentschaft, zur Unterzeichnung auflegen werden.

Was die Stimmung in der Bevölkerung betrifft, könnte es das erfolgreichste Volksbegehren in der jüngeren österreichischen Geschichte werden. 1982 unterschrieben knapp 26 Prozent der Wahlberechtigten gegen den Bau des Wiener Konferenzzentrums; viel mehr haben derzeit aber ihre liebe Not mit der EU.

Diese ist in Österreich so unbeliebt wie nie zuvor. Nur noch ein Drittel sieht in der Mitgliedschaft in der Europäischen Union eine gute Sache. Damit liegen wir selbst noch hinter den notorisch europaskeptischen Briten an der letzten Stelle der 25 Mitgliedstaaten. Und die Türkei will auch kaum jemand in der EU haben: Nur elf Prozent befürworten laut jüngster Eurobarometer-Umfrage einen Beitritt der Türken. Auch das ist der europäische Negativrekord. Die "Bürokraten in Brüssel" haben den "Piefkes" als inniglich gepflegtem Feindbild längst den Rang abgelaufen.

Für die FPÖ dürfte also nicht viel schief gehen, wenn sie, um Stimmung und Stimmen zu machen, folgenden Text zur Abstimmung stellt:
"Der Nationalrat möge durch Bundesverfassungsgesetz beschließen,

1) dass der Bestand der österreichischen Neutralität als Grundprinzip der Verfassung garantiert wird und

2) dass weder die Zustimmung zu einer EU-Verfassung

3) noch die Zustimmung zu einem allfälligen EU-Beitritt der Türkei ohne Zustimmung der österreichischen Bevölkerung in Volksabstimmungen Gesetzeskraft erlangt."

Das ist noch vornehm formuliert, dürfte aber erst durch die entsprechende Begleitmusik seine volle Wirkung entfalten. Da tut sich die FPÖ leichter als die SPÖ, die im Wesentlichen ähnliche Ansichten vertritt, diese aber nicht ganz so drastisch und nur halb so populistisch formuliert, wie es der FPÖ in ihrer Simplifizierung eben eigen ist.

Dem Schüssel eine reinzusemmeln, das mag vielen schon ein Anreiz sein, vor allem, wenn es um nichts geht und man dabei für keinen anderen stimmen muss. So ablehnend die Österreicher der EU aber gegenüberstehen, so wurscht ist sie ihnen auch. Daher ist es fraglich, ob die Österreicher tatsächlich in Massen in die Gemeindeämter strömen, um ein FPÖ-Volksbegehren zu unterstützen, das im Endeffekt ja doch nichts bringt. Und gerade SPÖ-Sympathisanten werden nicht leichten Herzens eine FPÖ-Initiative unterschreiben, selbst wenn sie ihnen aus dem Herzen spricht.

Es ist eine Frage der Mobilisierung. Und diese schafft die FPÖ nicht allein. Entscheidend ist, wie sich die Krone, täglich Zeitung gewordener Stimmungsbarometer, verhalten wird. Steigt die Krone ein, dann ist für die FPÖ ein ähnlicher Erfolg möglich, wie ihn Hans-Peter Martin mit ähnlicher Stoßrichtung und Unterstützung des Boulevards bei den EU-Wahlen errungen hat.

Aber auch die Krone weiß, dass eine Unterstützung des Anti-EU-Volksbegehrens einer Wahlkampfunterstützung der FPÖ gleichkäme, und davor ekelt es vielleicht auch Hans Dichand, selbst wenn der Inhalt des Volksbegehrens längst (seine) Blattlinie ist.

So unwägbar diese Komponenten sind, für Wolfgang Schüssel bedeutet die Volksbefragung nichts als Ärger. Jede Zustimmung für das FPÖ-Begehren, die überproportional die übliche FPÖ-Mobilisierungskraft übersteigt, muss nicht nur als Kritik am Europakurs der Regierung gewertet, sondern kann auch als direkte Reaktion auf Schüssels EU-Vorsitzführung angesehen werden. Das würde nicht nur seinem und Österreichs internationalem Renommee schaden, sondern den Kanzler vor den für ihn entscheidenden Wahlen im Herbst schwer beschädigen.

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