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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Alle Neujahrs-Glückwünsche sind innigst anzunehmen" (von Günter Lehofer)

Ausgabe vom 31.12.2005

Graz (OTS) - Es gibt nichts Banaleres als die Zeit. Man zähle die Sekunden, bis die Ampel grün wird oder der Lift stillgestanden ist. Es gibt nichts Philosophischeres als die Zeit, wenn man überlegt, wer sich schon gründlichst den Kopf darüber zerbrochen hat. Sie steckt uns ebenso in den Knochen, wie sie unfassbar ist.

Obwohl die Zeit regelmäßig abläuft, wie wir anerkennen, haben die Menschen stets Pflöcke in die Zeit gerammt. Ohne Einteilung wäre sie nicht auszuhalten. Es hat uns die Urerfahrung auf dieser Erde erwischt, dass die Zeit wechseln kann, in den Jahreszeiten, in der Lebenszeit, in der Gefühlszeit.

Es dürfte kein Zufall sein, dass der Mensch dann, wenn er sich über sich und die Welt erhoben hat, auch die Zeit neu gedacht hat, als Ewigkeit, als ständige Wiederkehr, als ihre Auslöschung. Wir sind Sisyphusarbeiter mit der Zeit. Wir bekommen sie nicht in den Griff. Trotz Atomuhr.

Aber morgen früh zählt vielleicht nur die Zeit, bis der Kater kleiner wird oder das Neujahrskonzert endlich anfängt oder der harte Schnee auf der Piste schon schireif geworden ist.

Dann wird uns über Medien mitgeteilt, was unsere Mitmenschen von der Jahreswende halten, vom neuen Jahr, von 2006, der kommenden Trademark der Zeit. Ein Zeitjahrgang ist noch unpräziser vorauszusagen als ein Weinjahrgang. Optimisten und Pessimisten liefern sich wunderschöne statistische Keilereien. Heuer gab es die zweitbeste Stimmung im Lande seit 1990. Hätte man anders gefragt, hätte man andere Prozente bekommen. Wir sind zu jeder Umfrageuntat bereit.

Man muss uns nur fragen. Über unser Raunzen, das präzis betrachtet, nicht ganz wirklichkeitsnahe ist, haben wir genug Sprüche hervorgebracht.

Soll man wirklich über die Zeit nachdenken? Bringt das etwas? Die Antwort ist nicht nötig, wir entkommen der Nötigung nicht, über die Zeit nachzudenken, sie zu bejubeln, zu verfluchen.

Unser Gedenkjahr 2005 ging glücklich zu Ende und hat viel gebracht, und die Gegner sagen, es hat Käse gebracht. Ab sofort wird in der politischen Klasse Österreichs nachgedacht, wie die Parlamentswahl gewonnen werden kann. Für die Wählerinnen und Wähler ist 2006 ein wichtiges Nachdenkjahr. Wer im November der Verlierer sein wird, wird sagen, 2006 war ein grauenhaftes Jahr.

Die Empfehlung zu Jahreswechsel kann daher nur lauten, alle Glückwünsche innigst anzunehmen. Und selber auch allen alles Gute wünschen. Den Rest dazu wird das neue Jahr besorgen. Unter Garantie. ****

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