NPO-Institut der WU-Wien zeigt problematische Struktur der Altenpflege in Österreich auf
Willkür bei der Versorgung, wenig Innovation, Schwarzarbeit. Träger fordern Dialog mit der Öffentlichen Hand ein
Wien (OTS) - Die Qualität der Pflege und Betreuung hängt in Österreich in erster Linie vom Wohnort ab; bei der Höhe des Selbstbehalts für die gepflegten Menschen gibt es dramatische Unterschiede; der Dialog der Öffentlichen Hand mit den tatsächlichen Erbringern der Leistungen - den Trägern - findet nicht ausreichend statt. Das besagt eine Studie des NPO-Instituts der WU-Wien, die im Auftrag der BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt, Träger sind die fünf großen Pflegeorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe) durchgeführt wurde.
"Die Versorgungsdichte und das Angebot an Betreuungsmöglichkeiten ist in den einzelnen Bundesländern Österreichs stark unterschiedlich", beschreiben die Studienautoren Ruth Simsa und Christian Schober vom NPO-Institut der Wirtschaftsuniversität Wien die Struktur der Altenpflege und -betreuung in Österreich. Die Preise, die die Betroffenen für die Pflege zu bezahlen haben, differieren stark. "Im Extremfall zahlt ein Kunde für ein und dieselbe Leistung um bis zu 42% mehr, nur weil er im falschen Bundesland lebt", zeigt Schober die Auswirkungen der unterschiedlichen Förderpolitik der Länder auf.
"Statt neun verschiedene Modelle der Altenbetreuung für jedes einzelne Bundesland entwickeln zu müssen, wollen wir Modelle nach den individuellen Bedürfnissen der alten Menschen umsetzen", betont Diakonie-Direktor Michael Chalupka und fordert eine Versorgung nach einheitlichen Standards für ganz Österreich. "Am zielführendsten wäre ein Rahmengesetz, das die Standards für Betreuung und Pflege alter Menschen in Österreich bundesweit einheitlich regelt", so Chalupka weiter.
"Im Interesse der von der Pflegebedürftigkeit betroffenen Personen muss einmal eindeutig definiert werden, was im Pflegefall Betroffene und Angehörige als Mindeststandard in allen Bundesländern erwarten können", fordert Caritas-Generalsekretär Stefan Wallner, "Dazu der Anteil, den die Solidargemeinschaft trägt, bis hin zu einem Rechtsanspruch auf eine entsprechende Pflegeabsicherung."
"Die Entwicklungspläne der öffentlichen Hand sind wenig innovativ, lückenhaft, oft auch ineffizient, weil der notwendige Dialog mit den Trägern fehlt", sagt Josef Weidenholzer, Präsident der Volkshilfe Österreich, "wir fordern als BAG diesen Dialog ein, um den notwendigen Ausbau der mobilen Dienste und der teilstationären Einrichtungen sinnvoll planen zu können. Damit die Menschen möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können und die Angehörigen bei der Pflege entlastet werden."
"Das derzeitige System ist zu wenig passgenau", ergänzt Werner Kerschbaum, stv. Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes. "Um den derzeitigen und zukünftigen Pflegebedarf - insbesondere im Bereich der Demenzerkrankungen - abdecken zu können muss rasch ein Ausbau der bestehenden Betreuungsangebote wie z.B. teilstationäre Einrichtungen (Tageszentren) und der mobile Pflege erfolgen. Und es muss eine entsprechende Entwicklung und Umsetzung von alternativen Betreuungsformen z. B. Wohngemeinschaften oder Hausgemeinschaften forciert werden. Faktum ist, dass derzeit ein großer Pflege- und Betreuungsbedarf von Personen im Rahmen von illegalen Beschäftigungsverhältnissen abgedeckt wird. Und das bedeutet langfristig wiederum, dass das bestehende System der Pflege und Betreuung ausgehöhlt wird und keine innovativen Entwicklungen von Seiten der öffentlichen Hand gefördert werden", so Kerschbaum.
"Die künstliche Trennung zwischen dem Gesundheits- und Sozialbereich verhindert abgestimmte und ökonomisch vernünftige Lösungen und verursacht an den Schnittstellen für die Betroffenen ärgerliche und insgesamt teure Reibungsverluste. Leider ist es im Zuge des Österreich-Konvents nicht gelungen, hier eine Bereinigung im Sinne einer Bündelung der Kompetenzen herbei zu führen", sagt Hilfswerk-Präsident Othmar Karas. "Umso wichtiger ist es jetzt, dass in Zukunft die Pflege bei allen Entscheidungen im Gesundheitsbereich mit eingebunden wird", fordert Karas. "Dies gilt insbesondere für die neu gegründete Bundesgesundheitsagentur, bei der die Pflege unverständlicher Weise noch nicht vertreten ist, und für alle Länderplattformen, die gerade eingerichtet werden", so Karas abschließend.
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