• 04.10.2005, 17:10:30
  • /
  • OTS0250 OTW0250

WirtschaftsBlatt Kommentar vom 5.10.2005: Wien segelt auf der Balkan-Route - von Engelbert Washietl

Wien (OTS) - Der Kurs stimmt, soweit Friede und Prosperität auf
dem Balkan das Ziel der österreichischen Diplomatie sind. Nach dem
etwas künstlichen Nervenkitzel, den Österreich in Brüssel
herbeiführte, wäre es fast unprofessionell, nachzurechnen, wer wen
über den Tisch gezogen hat und wer umgefallen ist. Es hat sich
ergeben, dass die Europäische Union formell Beitrittsverhandlungen
mit Kroatien aufnimmt und dass Österreich einen beträchtlichen Anteil
an dieser Wendung hat, wobei sich auch die eiserne UNO-Chefanklägerin
beim Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag, Carla Del Ponte, erst
einmal als biegsame Diplomatin erweisen musste, bis alles glatt ging.
Natürlich entspricht die gesellschaftliche Entwicklung in Kroatien
noch nicht dem Standard, den die Europäische Union ihren Mitgliedern
abverlangt. Aber es ist ja auch noch Zeit, das Rechtssystem zu
entwickeln, Netzwerke des organisierten Verbrechens zu
durchschneiden, mit den Kriegsverbrechern fertig zu werden. Die
Zweifel, dass Kroatien diese Wandlung bewältigt, waren berechtigt
und sind nicht restlos verschwunden. Aber der neueste Bericht Del
Pontes, Kroatien habe "als erstes Land des Balkans begriffen, dass
seine Zukunft auch darin liegt, mit uns zu kooperieren" lässt
Optimismus zu. Und steht in Einklang mit der Mahnung des kroatischen
Staatspräsidenten Stjepan Mesic an seine Landsleute, das grosse
Reformwerk energisch anzugehen.
"Die Zusammenarbeit Kroatiens bei der Übergabe von angeforderten
Dokumenten ist tatsächlich derzeit die beste von allen Ländern in der
Region", sagt Del Ponte. Wenn die (neue) Situation Kroatiens damit
akkurat beschrieben ist, so liegt es im vitalen Interesse
Österreichs, diesen wichtigen Wirtschaftspartner in die EU
hereinzuziehen. Schon deswegen, weil im Verhandlungsprozess die
Reformarbeit fortgesetzt und durch die spätere Mitgliedschaft
abgesichert wird.
Hinter Kroatien erscheinen die Balkan-Staaten, die noch lange nicht
reif sind und es dennoch werden sollen. So wie im Fall Kroatiens das
gute Beispiel (Slowenien) und deutlicher Druck (die
Kriegsverbrecherverfolgung) die Reformbereitschaft beschleunigten,
könnte es irgendwann einmal auch mit den anderen klappen. Auf dem
Balkan hat die EU eine Friedensmission.
Kroatien wird übrigens weit rascher EU-tauglich sein als dieTürkei.
Deshalb bleibt die Türkei auch nach dem Verhandlungsmarathon der
vergangenen Tage ein schwieriges Kapitel.

Rückfragehinweis:
WirtschaftsBlatt
Redaktionstel.: (01) 60 117/305
http://www.wirtschaftsblatt.at

OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | PWB

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel