DER STANDARD-Kommentar "Besser keine Steuersenkung" von Alexandra Föderl-Schmid
Kurzfristiger Aktionismus senkt zwar den Benzinpreis, ist aber keine Lösung
Wien (OTS) - Jeder Autofahrer stöhnt über die hohen Benzinpreise, und jeder Hausbesitzer macht sich Gedanken darüber, wann der beste Zeitpunkt ist, um doch noch an halbwegs günstiges Heizöl zukommen. Der Blick auf die Preise an den Ölmärkten wurde in den vergangenen Wochen zur Gewohnheit, so wie in Zeiten des Aktienbooms jener auf die aktuellen Börsenkurse.
Experten, die zu Jahresbeginn noch einen Rohölpreis von hundert US-Dollar je Fass vorhergesagt haben, wurden damals als Spinner abgetan. Inzwischen sind diese Prophezeiungen zumindest im Bereich des Möglichen, da sich der Preis um die 70 US- Dollar pro Fass bewegt. EU- Energiekommissar Andris Piebalgs fürchtet sogar weitere Preissteigerungen und stimmt darauf ein, dass wir uns dauerhaft auf hohe Öl- und damit Benzin-, Diesel- und Heizölkosten einstellen müssen.
Denn die Nachfrage ist insbesondere wegen des erhöhten Energiebedarfs in Ländern, die wie China und Indien an die Erste Welt anschließen wollen, hoch. Aber auch Wachstumsraten in den neuen EU-Staaten, die wie etwa in Lettland bei elf Prozent liegen, fordern ihr Tribut auch auf dem Energiesektor.
Die Situation hat sich zwar kurzfristig etwas entspannt, nachdem viele Staaten einen Teil ihrer Ölreserven freigegeben haben. Aber nach Ansicht der Experten der Internationalen Energieagentur in Paris kann nur eine weltweit sinkende Ölnachfrage eine Energiekrise nach dem Hurrikan "Katrina" verhindern. Deshalb sind Steuersenkungen im Energiebereich, als Reaktion auf hohe Benzin- und Heizölpreise, der falsche Weg - auch wenn dies insbesondere in Wahlkampfzeiten propagiert wird. Durch diesen Aktionismus wird die Nachfrage nicht nachhaltig gesenkt.
Da gibt die Landeshauptfrau der Steiermark, Waltraud Klasnic, dem gleichen Reflex nach wie der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder oder Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi. Auch in Frankreichs noch neuer Regierung übertrumpfen sich Nicolas Sarkozy und Dominique de Villepin gegenseitig mit Vorschlägen - den Präsidentschaftswahlkampf kommendes Jahr bereits vor Augen.
Notwendig sind viel mehr Maßnahmen, die mehr Ausdauer und Zähigkeit erfordern. Dabei sind Regierungen, Unternehmen und jeder einzelne Bürger gefordert. Die Regierungen können den Druck insbesondere auf die Erdölfirmen erhöhen, damit diese mehr in Raffinerien investieren. Denn das ist der eigentliche Engpass im Moment. Denn es nützt nichts, wenn mehr Öl gefördert wird, ohne es weiterverarbeiten zu können. Die Regierungen können Unternehmen auch positive Anreize bieten, etwa stärker in regenerative Energien zu investieren oder endlich das versprochene Drei-Liter-Auto zur Marktreife zu bringen.
Untersuchungen, ob die Preissteigerungen auf dem Rohölmarkt tatsächlich jenen an den Tanksäulen entsprechen, können dazu beitragen, dass so etwas wie Transparenz entsteht. Denn Expertenschätzungen zufolge wird noch gerne extra etwas draufgelegt, wenn der Rohölpreis hoch ist.
Da es wenig bringt, wenn ein einzelnes Land wie Österreich - was Finanzminister Karl-Heinz Grasser angekündigt hat - solche Prüfungen einleitet, ist die von der EU- Kommission geplante Beobachtungsstelle ein Schritt in die richtige Richtung. Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto mehr (Rechtfertigungs-)Druck entsteht auf die Firmen.
Es liegt auch an jedem Einzelnen, aus der aktuellen Lage Konsequenzen zu ziehen. Jeder muss sich selbst an der Nase nehmen: ob Autofahrten nötig sind; ob nicht mehr getan werden kann, um den Energieverbrauch zu senken, indem etwa Geräte nicht ständig auf Stand-by geschaltet bleiben; Wärmedämmung sollte wieder stärker in Mode kommen.
Naturkatastrophen wie der Hurrikan "Katrina" zeigen, wie sehr die Weltwirtschaft verzahnt ist. Der Umgang mit den natürlichen Ressourcen und Energieträgern ist mehr denn je eine Zukunftsfrage für uns alle.
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