• 19.05.2005, 17:00:00
  • /
  • OTS0273 OTW0273

"Vorarlberger Nachrichten" Kommentar: "Grassers Zickzack-Kurs" (Von Kurt Horwitz)

Ausgabe vom 20.05.2005

Wien (OTS) - Finanzminister Grasser fährt derzeit nicht nur
privat, sondern auch wirtschaftspolitisch einen bemerkenswerten
Zickzackkurs. Die Bausparkassen bekommen ein Steuerzuckerl, den
Emittenten von Wohnbauanleihen wird eines weggenommen, dafür wird es
demnächst einen Staatszuschuss für riskante Geldanlagen geben. Ohne
die bisher verpflichtend vorgeschriebene Kapitalgarantie wird die
prämienbegünstigte "Zukunftsvorsorge" zur Aktienspekulation mit
ungewissem Ausgang.
Bleiben wir beim Bausparen: Bisher durften aus Steuergeld geförderte
Bauspardarlehen nur zur Schaffung und Sanierung von Wohnraum
verwendet werden; künftig können sie auch für die Finanzierung von
"Bildung und Pflege" eingesetzt werden.
Die Begründung ist pikant: "Im prämiengeförderten Bausparsystem sind
wesentlich mehr Einlagen veranlagt als Bauspardarlehen vergeben,
wobei der Bund im Jahr 2004 Prämien in der Höhe von 130 Millionen
Euro ausbezahlt hat." Mit anderen Worten: Die Bausparkassen wissen
nicht recht, wohin mit den teuer geförderten Einlagen - und Grasser
hilft ihnen aus der Patsche. Er erfüllt damit, gewiss rein zufällig,
einen in letzter Zeit oft geäußerten Herzenswunsch seiner früheren
Parteichefin und jetzigen Wüstenrot-Direktorin Riess-Passer.
Das kommt teuer, deshalb muss auch gespart werden: Ab 1. September
sind die Zinsen neu begebener Wohnbauanleihen nicht mehr von der
Kapitalertragsteuer befreit. Begründung: Die steuerliche Förderung
der Wohnbauanleihe ist "nicht mehr zeitgemäß". Das würde sinngemäß
zwar auch fürs Bausparen gelten, aber für die Anleihen hat sich ja
auch keine Riess-Passer stark gemacht.
Wirklich bedenklich ist die Neuregelung bei der Zukunftsvorsorge. Bei
der Begründung für den Wegfall der verpflichtenden Kapitalgarantie
begibt sich der Finanzminister auf ziemlich dünnes Eis: In der
"garantiefreien Variante" seien "höhere Erträge zu erwarten",
argumentiert Grasser, denn "Garantie kostet etwas". Stimmt, dafür
bringt sie auch etwas, nämlich die Sicherheit, dass zumindest die
eingezahlten Beträge auch tatsächlich als Pensionsvorsorge zur
Verfügung stehen. Bei einer Aktienveranlagung ist das - wie der
Finanzminister sicherlich weiß - nicht der Fall.
Für den Sparer wird die vorgeschriebene Aktienquote von mindestens 40
Prozent der Einzahlungen zum Hasardspiel. Um das Risiko zu
reduzieren, müsste der Gesetzgeber zumindest für die letzten Jahre
vor Pensionsantritt eine deutliche Verminderung des Aktienanteils
zulassen.
Grasser selbst geht kein Risiko ein. Sollten Pensionisten in zehn
Jahren vor einem finanziellen Scherbenhaufen stehen, weil die
Aktienkurse wieder einmal in den Keller gefallen sind, ist er sicher
nicht mehr Finanzminister. Dann werden andere erklären müssen, warum
ausgerechnet die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge nicht einmal
die Summe der Einzahlungen wert ist.

Rückfragehinweis:
Vorarlberger Nachrichten
Chefredaktion
Tel.: 0664/80588382

OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | PVN

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel