• 30.03.2005, 20:52:11
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Eine überstandene Feuerprobe und doch nur ein Pyrrhussieg" (von Wolfgang Haupt)

Ausgabe vom 31.03.2005

Graz (OTS) - Zwischen Sieg und Niederlage liegen manchmal nur ein
paar Minuten. Einen Vergleich mit Hannibal oder Napoleon, dem großen
Franzosenkaiser, sollte man Ursula Haubner freilich aus vielerlei
Gründen ersparen. Ihre Schlacht am Rennweg hat die FPÖ-Chefin
Dienstagabend aber gewonnen. Allein gelassen von ihrem brüderlichen
Mentor Jörg Haider, der ihr nur sehr bescheidene Waffenhilfe zukommen
ließ, und gestützt auf ein schwaches Häuflein von Getreuen konnte sie
am Ende des Abends ihre Standarte siegreich aufpflanzen. Es war, darf
man feststellen, ihre erste wirkliche Feuerprobe.

Unmittelbar nach der chaotischen Sitzung in einem Hotel im dritten
Wiener Gemeindebezirk wirkte Haubner desillusioniert und enttäuscht.
Die nur mit äußerster Anstrengung knapp und nicht ganz astrein
erzwungene Entscheidung für den Ausschluss von Andreas Mölzer
schmerzte sie, und das ließ sie sich anmerken. Aber gleich darauf
versammelte sich das Fähnlein der Aufrechten um ihre Obfrau an der
Hotelbar zum Siegestrunk. Die Verlierer hatten sich zerstreut, die
Kärntner Hilfstruppen waren schon vorher abgezogen. Die plötzlich
strahlende Siegerin mit dem erhobenen Kelch - Pardon: Glas - in der
Hand stellte sich Kameraleuten und Fotografen. Bekanntlich sagt ein
Bild mehr als tausend Worte.

Ein Sieg in einem Konflikt, der anhalten und sich noch auswachsen
wird. Ein umstrittener Sieg. Ein wichtiger, weil er den aufrechten
Führungsanspruch der Parteiobfrau untermauert. Auch ein Pyrrhussieg,
denn die Unterlegenen werden jetzt umso mehr danach trachten, weiter
Verbündete zu sammeln. Aber ein Sieg, in dem Ursula Haubner auch
gezeigt hat, dass sie den Willen hat, zu kämpfen und zu gewinnen und
dabei auch in der Wahl der Mittel nicht zimperlich ist. Papier ist
geduldig, Statuten sind biegsam. Welcher Rechtsexperte die gewünschte
Interpretation abliefert, das obliegt im Zweifelsfall dann doch der
Obfrau. Und sie ist - wie sagt man so unter den Kameraden? - "im
Felde unbesiegt". Noch.

Es war dies aber noch keine Vorentscheidung, sondern nur ein
interessantes Scharmützel vor der großen Auseinandersetzung auf dem
Parteitag am 23. April. Aus dem Kärntner Lager kommen verwirrende
Signale, am klarsten scheint jenes, dass Jörg Haider mehr denn je
davor zurückschreckt, selbst wieder die Führung der Partei zu
übernehmen. Die Straches, Mölzers und Stadlers sind gewarnt, aber
noch nicht geschlagen. Es kann alles passieren. Die schmerzliche
lange Talfahrt der FPÖ ist noch lange nicht zu Ende. ****

OTS0232    2005-03-30/20:52

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