VERFASSUNGSAUSSCHUSS DISKUTIERT VOLKSGRUPPENFÖRDERUNG Volksgruppenorganisationen kämpfen mit Schwierigkeiten
Wien (PK) - Der Verfassungsausschuss befasste sich heute mit dem Volksgruppenbericht (III-96 d.B.), der mit den Stimmen von ÖVP
und FPÖ mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde.
Der Antrag des Abgeordneten Walter Posch (S), den Bericht nicht
im Ausschuss einer Enderledigung zuzuführen, sondern dem Plenum vorzulegen, wurde von den beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ mehrheitlich abgelehnt. Posch argumentierte, die Diskussion im Plenum sei vor allem hinsichtlich der aktuellen Situation und der kürzlich stattgefundenen Konsenskonferenz notwendig. Ihm schloss sich Terezija Stoisits (G) an. Die Abgeordneten Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) und Herbert Scheibner (F) entgegneten,
der Ausschuss sei für eine intensive Auseinandersetzung durchaus das adäquate Gremium. Außerdem habe die Konsenskonferenz
bewiesen, dass man um eine sachorientierte Lösung im Ortstafelkonflikt bemüht sei.
Der vorliegende Bericht über die Jahre 1997 bis 2001 vermittelt einen längerfristigen Überblick, um einen aussagekräftigen Eindruck über die Entwicklung der Förderungen und über das Erreichen der Förderungsziele zu ermöglichen. Dabei wird insbesondere auf die strukturellen Schwierigkeiten der Volksgruppenorganisationen auf Grund des geänderten gesellschaftlichen Verhaltens der Bevölkerung - etwa die geringer werdende Bereitschaft, sich aktiv Vereinen anzuschließen und traditionelle Freizeitangebote wahrzunehmen - eingegangen.
Vereine kämpfen mit Überalterung und einer sich ausdünnenden Personaldecke. Vor allem die Bedürfnisse des jüngeren Segments
der Volksgruppen unterscheiden sich oft grundlegend von hergebrachter Vermittlung von Volksgruppenaktivität.
Im Sinne der Förderungsgerechtigkeit ist man laut Bericht seitens des Bundeskanzleramtes bestrebt, diese neuen Faktoren auf dem
Gebiet der Volksgruppenentwicklung zu berücksichtigen, weshalb
die Mitgliederzahlen von Volksgruppenorganisationen nicht mehr Maßstab für die Förderungsgerechtigkeit sein solle. Dementsprechend fördert das Bundeskanzleramt traditionelles Vereinsleben ebenso wie Volksgruppenforschung, den Aufbau neuer Medien (Internetauftritte, Volksgruppenradios) sowie zwei- oder mehrsprachige Bildung, interkulturelle Begegnung und
künstlerische Betätigung.
Zwischen 1997 und 2001 standen für all diese Bereiche durchschnittlich knapp mehr als 50 Mill. S zur Verfügung, 1998
und 1999 kamen zusätzlich je 15 Mill. S für die diversen Volksgruppenradios zur Ausschüttung. Primäres Förderungsziel sei dabei, so der Bericht, Maßnahmen und Vorhaben zu fördern, die der Erhaltung und Sicherung der Volksgruppen dienen, wobei dem
Prinzip der Nachhaltigkeit auch auf diesem Gebiet entsprechendes Augenmerk gewidmet werde. Besondere Wichtigkeit habe die
Erhaltung der Sprachkompetenz auch im Schriftbild. Zudem gelte
es, die sich mit der Erweiterung der EU ergebenden Chancen zu nutzen.
Der Bericht wurde wegen seiner umfangreichen Darstellungen und
des Zahlenmaterials allgemein gelobt, die Abgeordneten
kritisierten jedoch, dass zwischen dem Berichtszeitraum (1997 -2001) und der Vorlage des Berichts ein zu großer Zeitraum liege. Abgeordnete Terezija Stoisits (G) bezeichnete es insbesondere als einen "Skandal", dass jene Abteilung des Verfassungsdienstes, die für die Volksgruppenförderung zuständig sei, personell stark unterbesetzt sei. Staatssekretär Franz Morak sicherte zu, in Zukunft aktuellere Berichte vorlegen zu wollen.
Die Volksgruppenpolitik selbst wurde dann von den Abgeordneten
der Opposition und der Regierung unterschiedlich bewertet. So beklagte Abgeordneter Walter Posch (S), dass die Volksgruppenförderung seit 1995 stagniere und somit nicht der Staatszielbestimmung, kulturelle Vielfalt zu fördern, Rechnung getragen werde. Auch sei der Verein der Roma Oberwart auf Grund
zu knapper Förderungsmittel stark gefährdet. Posch kritisierte auch die Kürzung der Mittel für die Volksgruppenradios, räumte aber ein, den Vertrag mit dem ORF positiv zu bewerten.
Dem gegenüber argumentierte Abgeordneter Herbert Scheibner (F), dass man die Vereine, welche zugegebener Maßen mit großen Problemen zu kämpfen hätten, nicht mit Volksgruppen gleichsetzen dürfe. Als ein positives Zeichen und eine Trendumkehr bewertete
er die Tatsache, dass die zweisprachigen Schulen wieder mehr Anmeldungen zu verzeichnen hätten, was vor allem auf den Zustrom deutschsprachiger Kinder zurückzuführen sei.
Darauf replizierte Abgeordnete Terezija Stoisits (G) und meinte,
der Trend sei zwar gut, aber die steigende Anmeldung deutschsprachiger Kinder in zweisprachigen Schulen lasse
keineswegs den Schluss zu, in Österreich gebe es eine gute Volksgruppenpolitik. Vielmehr zeige dieser Trend deutlich, dass
es immer weniger zweisprachige Familien gebe, denn diese seien in den letzten Jahren "wegassimiliert" worden. Vor allem in den
ersten vier Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg sei der Druck der Assimilationspolitik sehr groß gewesen. Positiv auf die Volksgruppen hätte sich aber die Änderung der geopolitischen Lage ausgewirkt. Stoisits unterstrich, dass man die zweisprachige Erziehung als eine Aufgabe des Staates und als ein Anliegen der Republik sehen müsse. Sie könne nicht akzeptieren, wenn man die Initiativen mit der Aufforderung abzuspeisen versuche, ein
Projekt vorzulegen.
Staatssekretär Franz Morak gab zu, dass die Subventionen seit
1995 gleich geblieben seien. Es habe aber in den neunziger Jahren einmalige Förderungen für Volksgruppenradios gegeben, nun aber
sei die Volksgruppenförderung im ORF-Gesetz stärker verankert. Morak bezeichnete dies als eine relevante Maßnahme, da dadurch
hohe Reichweiten erzielt werden könnten, womit den Volksgruppen mehr gedient sei als mit speziellen Programmen. Morak wies auch darauf hin, dass die Kunstsektion Kulturvereine mit 439.000 € fördere und darüber hinaus 121.500 € für projektorientierte Förderungen im Nahbereich der Volksgruppenförderung zur Verfügung stelle. Er ging damit auf eine Frage der Abgeordneten Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) ein.
Abgeordnete Terezija Stoisits (G) konnte sich dieser positiven Darstellung nicht anschließen, denn die Förderungen von Kulturveranstaltungen, einzelnen KünstlerInnen und Verlagen dürften nicht unter dem Titel der Volksgruppenförderung laufen. KünstlerInnen seien KünstlerInnen, egal, welcher ethnischen
Gruppe sie angehörten.
Ebenso wenig konnte sie die positive Einschätzung des
Abgeordneten Roderich Regler (V) im Hinblick auf die stärkere Berücksichtigung der Volksgruppen im ORF teilen, denn im
Endeffekt gebe es weniger mehrsprachige Radios und mehr ORF,
sagte Stoisits. Während im Burgenland mehrsprachige Sendungen
auch von der nur Deutsch sprechenden Bevölkerung gerne gehört und gesehen würden, weil dort die Integration gelungen sei, habe die Regelung in Kärnten dazu geführt, dass man dort mit dem Slowenischen kaum mehr "belästigt werde". Die Aufgabe des ORF sei aber die Förderung der öffentlichen Intelligenz und somit auch
die Förderung der Zweisprachigkeit.
Alles in allem vermisste Stoisits sichtbare Zeichen für ein Umdenken in der Volksgruppenpolitik auf Grund des vorliegenden Berichtes. (Fortsetzung)
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