"Tiroler Tageszeitung" - Kommentar: "Spiel mit der Angst" (Von Claus Reitan)
Ausgabe vom 19. Februar 2005
Innsbruck (OTS) - Begonnen hat die Sache mit einem Missverständnis in der Koalition über die Verkürzung des Wehrdienstes. Dieses war groß genug, um ein Gipfelgespräch über Sicherheit auszulösen, das nächste Woche angesetzt ist. Doch beim Sicherheitsgipfel droht Absturzgefahr. Erstens, weil nicht alles Platz haben wird, denn vom Wehrdienst über das Asylrecht bis zum Integrationsvertrag reicht die mögliche Tagesordnung. Zweitens, weil die Sicherheitspolitik einlädt, Statistiken zu verdrehen und Polemiken zu entwickeln, obwohl sie sich am allerwenigsten dazu eignet.
Die Doppelbödigkeit der Debatte um die Sicherheit zeigt sich an der öffentlichen Verlogenheit im Umgang mit dem Bundesheer. Kaum jemand, außer den unmittelbar Zuständigen, tritt öffentlich wirksam für das Heer ein, aber jeder ruft nach den Soldaten, sobald Grenzen undicht, Menschen verschüttet oder Nachbarländer in Aufruhr sind. Leidenschaftlich debattiert man die Dauer des Wehrdienstes, aber ahnungslos bleiben die meisten, geht es um Klarheit über die Aufgaben des Heeres. Dabei hätte das Bundesheer sowohl das Personal als auch das Potenzial, bei internationalen Friedenseinsätzen eine ohnedies sehr gefragte Rolle zu übernehmen. Aber dafür bräuchte es Mittel, für die, siehe oben, kaum jemand wirksam eintritt.
Dem unehrlichen Umgang mit dem Heer folgt der polemische in der Asyldebatte. Der Wunsch etwa der Freiheitlichen nach einer verpflichtenden Feststellung der Erbanlagen eines Asylwerbers (DNA-Test) ist eine totale Umkehrung des Rechtsstaates. Dieser geht grundsätzlich von der Unschuldsvermutung aus, hält also jede Person für unschuldig, solange diese nicht rechtskräftig verurteilt ist. Manche hingegen wollen im Asylrecht nun die Schuldvermutung einführen, denn nur die Annahme, Asylwerber neigen zur Kriminalität, könnte deren DNA-Test begründen.
Die Schlepper- und die Drogenkriminalität sind tatsächlich mit Konsequenz und Härte zu bekämpfen. Ein Staat, der aus guten Gründen die Gewalt bei sich monopolisiert, muss Schutz bieten. Aber der Kampf gegen diese Kriminalität ist nicht mit Vorurteilen, schon gar nicht in den Kategorien von Rache und Sühne zu führen, sondern etwa mit internationaler Kooperation der Behörden. Genau davon ist in den Arbeitspapieren des Innenministeriums die Rede.
So könnten beim Sicherheitsgipfel einige ein Geschäft mit der Angst betreiben. Nicht zuletzt, weil die Sicherheit ein Thema des Wahlkampfes sein wird, der mit dem Gipfel endgültig beginnt.
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