DER STANDARD-Kommentar: "Grassers rote Seite" von Luise Ungerboeck
Ausgabe vom 21./22.8.2004
Wien (OTS) - Der schwarz-blaue Finanzminister Karl-Heinz Grasser muss zumindest eine rote Vorderseite haben. Er landete bei der Privatisierung der Telekom Austria einen veritablen Bauchfleck. Es ist nicht sein erster, aber der bisher schönste. Der selbst ernannte Privatisierungspapst und die um ihn versammelten Ministranten der Staatsholding ÖIAG hatten brav geübt: bei der Restprivatisierung der Voest, beim Teilverkauf der VA Tech, um einige schlechte Beispiele zu nennen.
Für den halbwegs normal denkenden Staatsbürger war es eigentlich kaum vorstellbar, dass das vorjährige Herumgemurkse bei der Voest wiederholbar sei. Aber: Es gibt sogar eine Steigerung. Grasser und die Verstaatlichten-Privatisierungsfetischisten rund um den Präsidenten der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, wollten die minderheitlich im Staatsbesitz befindliche Telekom Austria nicht nur an die mehrheitlich im Staatsbesitz befindliche Swisscom verkaufen, sondern sich am ausländischen Staatskonzern auch noch beteiligen.
Abgesehen davon, dass das dem von der Wenderegierung gebastelten ÖIAG-Gesetz widersprochen hätte, können die Eidgenossen die Mehrheit an ihrem - im Ausland höchst unerfolgreichen - Telekom-Exmonopolisten nur abgeben, wenn das Volk dafürstimmt. Diesen Einfluss mittels windiger Syndikatsverträge, die im schlechtesten Fall beim Salzamt einklagbar sind, brechen zu wollen ist naiv. Herausgekommen wäre bei der als Fusion verkauften Übernahme wohl ein Telefonriese, dem statt bisher einer künftig zwei Regierungen hineingeredet hätten.
Wenn eine Einkaufstour auf Kosten des Steuerzahlers das Einzige ist, was den hoch bezahlten Rittern des freien Markts zum Thema Privatisierung und Industriepolitik einfällt, dann gute Nacht, Österreich.
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