- 17.08.2004, 17:53:24
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DER STANDARD-Kommentar "Die misshandelte Telekom" von Michael Moravec
Verkauf an die Swisscom: Gut für das Unternehmen, aber ein Offenbarungseid - Ausgabe vom 18.8.2004
Wien (OTS) - Mit dem nun offensichtlich bevorstehenden Verkauf der
Telekom Austria an den staatlichen Schweizer Swisscom-Konzern könnte
eine schon fast unendliche Geschichte doch noch ihren Abschluss
finden: Eine Geschichte über die jahrzehntelange systematische
Misshandlung eines für Österreich strategisch bedeutenden
Unternehmens durch den Eigentümer Staat - und, vor allem, ein
Lehrstück über österreichische Industrie- und Wirtschaftspolitik.
Dabei ist es nicht so wichtig, ob nun die Swisscom - für sie
sprechen einige Indizien - zum Zug kommt, ob es doch noch ein anderer
Konzern wird oder ob, wie ursprünglich geplant, Finanzinvestoren
einsteigen. Wichtig ist, dass das Unternehmen und seine Manager aus
der jahrelang eingenommenen Warteposition endlich Klarheit über ihre
Zukunft bekommen und Visionen und Strategien entwickeln können.
Synergien sind mit den Schweizern auf den ersten Blick zwar auch
wenige zu erkennen, aber: "Die Schweizer wollen wachsen und haben
Geld, und die Österreicher wollen wachsen und haben keines", fasste
es ein Kenner der Szene zusammen: Es könne sich um die Partnerschaft
zweier Spätberufener handeln, die die letzte Möglichkeit ergreifen,
doch noch zu einer Familie zu kommen.
Interesse wird den Schweizern natürlich vor allem an der Cashcow der
Telekom, dem Handynetzbetreiber A1/ Mobilkom, nachgesagt. Denn das
Schweizer Pendant "Swisscom Mobile" gehört zu 25 Prozent Vodafone,
dem Kooperationspartner von A1. In diesem Bereich würden vermutlich
eher größere Einsparungen und Vorteile anfallen, meinen Experten. Gut
möglich also, dass nach einer etwaigen Fusion eine neue gemeinsame
Mobilfunktochter Swiss/A1 an die Börsen von Zürich und Wien kommt. Ob
die Telekom Austria in ihrer derzeitigen Form selbst an der Börse
bleibt, ist eher zu bezweifeln. Der Swisscom wird nachgesagt, sich an
Unternehmen ausschließlich mehrheitlich oder gar nicht zu beteiligen.
Für die Telekom Austria würde eine Beteiligung der Schweizer also
Geld und die Chance auf eine weitere Durchlüftung bringen: Noch immer
ist das Unternehmen den Mief verstaubter Amtsstuben und verzopfter
Strukturen nicht wirklich losgeworden, noch immer können
Telefonanschlüsse während der "Sprechstunden beantragt" und nicht
während der Geschäftszeiten bestellt werden.
Für Österreich stellt sich aber wieder einmal die Frage: Warum
werden fast immer nur heimische Unternehmen verkauft - und warum gibt
es relativ wenige erfolgreiche Beispiele österreichischer Engagements
im Ausland (wie etwa die OMV und die Erste Bank)? Warum also ist die
Telekom nicht ebenso in der Lage, die Swisscom zu übernehmen?
Die Antwort liegt unter anderem in der jahrzehntelangen Praxis
(roter) Finanzminister, der Vorgängerin "Post- und
Telegraphenverwaltung" vor allem in den 80er- und 90er-Jahren
"Sonderdividenden" abzuknöpfen. Sonderdividenden von insgesamt mehr
als 120 Milliarden Schilling für das Budget des Finanzministers, die
das Unternehmen natürlich nie verdient hatte, sondern an den
Kapitalmärkten aufnehmen musste. Dieses abgepresste Geld samt Zinsen
fehlte natürlich für Expansionen und Modernisierungen. Die
missglückte und mittlerweile wieder beendete Partnerschaft mit der
Telecom Italia und der bereits unter Finanzminister Karl-Heinz
Grasser befohlene völlig übereilte Börsengang führten zum Stillstand
vieler Zukunftsplanungen. Während die neuen Telekom-Manager
rätselten, wie sie die Tausenden überzähligen, aber unkündbaren
Beamten loswerden könnten, war die Konkurrenz bereits im Osten
fröhlich auf Einkaufstour. Unter dem Strich ist eine planbare Zukunft
- ob mit Swisscom oder einem vergleichbaren Partner - für die Telekom
essenziell und ein Ende des Eiertanzes damit wünschenswert.
Für Österreichs Wirtschaftspolitik ist es aber ein Offenbarungseid.
OTS0155 2004-08-17/17:53
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