- 31.07.2004, 19:22:39
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Die letzten zwei Prozent" (von Erwin Zankel)
Ausgabe vom 01.08.2004
Graz (OTS) - Alles unter Dach und Fach. Behauptet der
Bundeskanzler: Die Harmonisierung der Pensionssysteme sei mit den
Sozialpartnern "zu 98 Prozent ausdiskutiert" worden. Nicht nur die
Betroffenen glauben nicht so recht daran, auch der sprichwörtliche
Mann auf der Straße hat seine Zweifel. Zwar wird laut einer soeben
veröffentlichten Meinungsumfrage die Harmonisierung von 64 Prozent
begrüßt, allerdings glauben bestenfalls 27 Prozent, dass es gelingen
wird, die Beamten noch in dieser Gesetzgebungsperiode unter das
gemeinsame gleiche Joch zu spannen.
Damit ist das Dilemma für Wolfgang Schüssel beschrieben: Er hat zwar
zwei Dutzend Mal am Runden Tisch mit den Präsidenten des ÖGB und der
Arbeiterkammer verhandelt, doch saß nie der Chef der
Beamtengewerkschaft dabei. Fritz Neugebauer ist zwar ein Parteifreund
des Kanzlers, doch auch ein mit allen Wassern gewaschener Taktiker,
der bei den Personalvertretungswahlen im Spätherbst die schwarze
Vorherrschaft im Heer der Staatsdiener verteidigen will.
Bevor Neugebauer seine Karten aufdeckt, wird er auf Zeit spielen. Den
ersten Zug muss die Regierung machen, die für Mitte August den
Gesetzentwurf angekündigt hat.
Bei dieser Gelegenheit wird sich zeigen, wie schnell die
Harmonisierung vor sich gehen soll. Die Grenze wurde grundsätzlich
mit 55 gezogen, doch ist noch offen, ob der Übergang vom alten ins
neue System für alle unter 55 Jahren sofort oder gleitend erfolgt.
Eigentlich müsste man annehmen, dass die Schutzzone von 55 bis 65,
also zehn Jahre, lang genug ist. Trotzdem sind zusätzliche
Übergangsbestimmungen nicht auszuschließen. Begründet werden sie mit
den angeblich so hohen Kosten des Systemwechsels. Würden nämlich die
Beamten plötzlich nur noch die niedrigeren und überdies mit einer
Höchstgrenze gedeckelten ASVG-Beiträge zahlen, erleide der Staat
einen Einnahmenausfall von 600 Millionen Euro pro Jahr.
Abgesehen davon, dass die Kostenschätzungen gewaltig
auseinanderklaffen, wird übersehen, dass die Pensionsbeiträge die
Steuerbemessung mindern, also fast die Hälfte der Einnahmen ohnehin
zu Lasten des Fiskus geht.
Außerdem: Während die Deckung durch eigene Beiträge bei den Arbeitern
und Angestellten 80 Prozent beträgt, liegt sie bei den Beamten unter
Einrechnung eines Dienstgeberbeitrags des Staates bei 50 Prozent. Und
das bei einer Durchschnittspension, die höher ist als die
höchstmögliche ASVG-Pension.
Die Harmonisierung ist erst erreicht, wenn Schüssel die letzten zwei
Prozent schafft. Sie sind die schwierigsten. ****
OTS0037 2004-07-31/19:22
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