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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Eine kurze Geschichte von Hamlet, Marlboro und Kultur" (von Frido Hütter)

Ausgabe vom 22.07.2004

Graz (OTS) - Über keine andere Spielform des Kulturbetriebes lässt sich so trefflich spotten, wie über sommerliche Festivals. Man muss nur die Klischees beschwören: Ein tattriger Ex-Playboy am Arm einer aristokratischen Seniorin in Salzburg. Schütterhaarige Ex-Hippies im Rock 'n 'Roll-Altersheim Wiesen, die sich am letzten Joint verkutzen. Alle Edel-Statisten der ORF-Seitenblicke in der Gelsenreitschule Mörbisch.

Brrrr- da beutelt sich der elitäre Kunstfreund, dessen formidable Zenithgesinnung ihm niemals gestattete, auch nur in die Nähe solchen Treibens zu kommen. Zudem er auch den exquisiten Schmerz vermissen würde, den Kunst nach seiner Meinung immer zu erregen hat.

Ganz abgesehen von den Kapitalflüssen, die eine solche Zusammenrottung internationaler Pfeffersäcke auslöst. Egal, ob sie ihre Euro-Tausender im Österreichischen Hof, bei den Obauers oder an der Festspielkasse ablegen. - Den Basishacklern aus der chronisch unterdotierten Freien Szene wird allein beim Gedanken an den Zaster-Cluster speiübel. Sie bedenken dabei nicht, dass etliche Gäste aus Übersee uns zumindest einen Bruchteil jenes Geldes zurückerstatten, dass sie uns via McDonalds, Coca Cola, Marlboro, etc. abgenommen haben.

Und dennoch: Kein einziges der rund hundert Festivals, die heuer den heimischen Kultursommer bereichern, ist überflüssig. Nein, ganz im Gegenteil, sie allesamt sind wünschenswert, notwendig.

Was die finanziellen Strukturen betrifft, können Sie sich heute in unserem Thema (Seiten 2/3) kundig machen. Wirklich verloren wird Geld im Zusammenhang mit Festival jedenfalls nicht.

Kommen wir also zu den wesentlicheren Dingen: Für die psychosoziale Gesundheit mancher Landgemeinde sind Festspiele ungemein wichtig: Da freut sich der Wirt über Gäste, die sich niemals zu ihm verirrt hätten, würde nicht heute Abend der Sparkassenleiter den Hamlet spielen.

Vice versa kommen Stars aus Konzerthaus, Oper, Burg und Josefstadt in Reichenau, Kobersdorf, Gars oder sonstwo zu so intimen Publikumskontakten, wie sie sie am Bühnentürl ihrer Stammhäuser nie bekämen. Und nebenbei bemerkt erhalten die meisten von ihnen auch fürstliche Gagen.

Speziell bei Festivals mittlerer Größe ist noch etwas zu beobachten:
Aufgrund persönlichen Einsatzes, gewerkschaftlicher Sommerpause und flexibler Handhabung werden kleine Wunder vollbracht, die an fixen Häusern unmöglich wären.

Allein dies macht Sommer-Festivals unendlich wertvoll. ****

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