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ÖSTERREICH-KONVENT DEBATTIERT ÜBER KÜNFTIGE KOMPETENZVERTEILUNG Ausschuss 5 legt seinen Bericht vor

Wien (PK) - Das Plenum des Konvents beschäftigte sich heute mit
dem Bericht des Ausschusses 5 zum Thema "Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden". Der Ausschussvorsitzende Peter Bußjäger fasste in seinem Bericht die wesentlichen Ergebnisse der in zehn Sitzungen geführten Diskussion zusammen.

BUSSJÄGER: STATT ZERSPLITTERUNG DER KOMPETENZEN ABGERUNDETE KOMPETENZFELDER

Einvernehmen habe, so Bußjäger, über ein neues System der Kompetenzverteilung geherrscht, denn die derzeitige sei in
besonders hohem Maße zersplittert und unübersichtlich. Deshalb müsse es in Zukunft zu einer Reduzierung der Kompetenztypen und
zu einer Flexibilisierung der Kompetenzverteilung kommen. Die Kompetenzverteilung und -abgrenzung sollte insgesamt einfacher werden. In diesem Zusammenhang habe sich der Ausschuss
überwiegend für die Formulierung großer, abgerundeter Kompetenzfelder ausgesprochen, um von der Kleinteiligkeit der Kompetenzzuweisungen abzukommen. Keinesfalls aber, unterstrich Bußjäger, dürfe das neue Kompetenzsystem zu einer Einschränkung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder führen.

Als neues Modell Gesetzgebungskompetenz schlage der Ausschuss ein Drei-Säulen-Modell vor, das neben der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes bzw. der Länder in der Gesetzgebung auch eine geteilte bzw. gemeinschaftliche Zuständigkeit vorsehe. Ein vollständiges Einvernehmen in Bezug auf die Ausgestaltung der dritten Säule habe jedoch nicht erzielt werden können, insbesondere habe es große Unterschiede in Bezug auf den Umfang dieses Bereiches gegeben. Einige Ausschussmitglieder hätten das Konzept der gemeinsamen Gesetzgebung der Länder über einen Ausschusslandtag favorisiert, ergänzte der Vorsitzende.

Ein Großteil der Ausschussmitglieder habe sich auch für eine stärkere Berücksichtigung des Sachzusammenhangs bei der Kompetenzinterpretation und -abgrenzung ausgesprochen und das Versteinerungsprinzip kritisiert.

Hinsichtlich der Zuordnung von Kompetenzen zu Bund, Ländern oder auch zu einem dritten Bereich habe man keine gemeinsame Position erarbeiten können, zumal die Meinungen beträchtlich divergierten.

Im Ausschuss habe man auch sehr intensiv darüber diskutiert, den Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, von einer einheitlichen bundesgesetzlichen Regelung abweichende Gesetze zu erlassen, eine
so genannte Opting-Out-Gesetzgebung. Dies sei aber mehrheitlich kritisiert worden, anstatt dessen rege man an, die Möglichkeit
zur Delegierung von Gesetzgebungskompetenzen an die Länder auszuweiten.

Überwiegend sei die Meinung vertreten worden, dem Bund solle im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder keine Möglichkeit zukommen, abweichende oder ergänzende Regelungen zu schaffen. Im Bereich der gemeinschaftlichen Zuständigkeit sei die Auffassung der meisten Mitglieder, die Länder sollten dann gesetzgeberisch tätig werden, so lange der Bund keine
gesetzlichen Regelungen trifft. Jedenfalls sollte der Bund in der dritten Säule Materien auch abschließend regeln, sich aber auch auf die Formulierung von Zielen, Rahmen und Grundsätzen beschränken können. Die Regelungsdichte der Bundesgesetze sollte vom Bedarf nach Einheitlichkeit abhängen. Die Inanspruchnahme der Kompetenz im dritten Bereich sollte Gegenstand eines politischen Verfahrens sein.

Im Verhandlungsverfahren sollte aber ein reformierter Bundesrat auftreten. Ein Zustimmungsrecht des Bundesrates in der dritten Säule werde aber ebenso überwiegend abgelehnt wie eine direkte Beteiligung der Länder. Eine explizite Regelung für widerstreitende Bundes- und Landesregelungen hielten die meisten für entbehrlich.

Bußjäger berichtete weiter, dass der Ausschuss zur Auffassung gelangt sei, für die Privatwirtschaftsverwaltung sollte es keine grundsätzliche Bindung an Kompetenzschranken geben. Was die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht betreffe, sollten Bund und
Länder weiterhin grundsätzlich für die Umsetzung zuständig sein. Artikel 15a B-VG-Vereinbarungen sollten unmittelbar anwendbar
sein, wobei eine verfassungsgerichtliche Kontrolle notwendig sei.

Eine Kompetenzvereinbarung zwischen Bund und Ländern ohne Verfassungsänderung sei von den meisten Ausschussmitgliedern mit dem Argument abgelehnt worden, die Kompetenzzuordnung sei unübersichtlich geworden. Hinsichtlich der Informationspflicht zwischen Bund und Ländern habe sich die Mehrheit des Ausschusses für eine verfassungsmäßige Verankerung einer solchen Informationspflicht ausgesprochen, es sei auch erwogen worden,
die wesentlichen Inhalte des Konsultationsmechanismus in die Verfassung zu integrieren.

Was den Bundesrat betrifft, so werde eine Direktwahl mehrheitlich ebenso abgelehnt wie ein allgemein gebundenes Mandat. Einige Ausschussmitglieder seien aber für ein gebundenes Mandat in Angelegenheiten des Zuständigkeitsbereiches der Länder, die einer bundesgesetzlichen Regelung zugeführt werden, eingetreten. Der Bundesrat sollte, so die Meinung des Ausschusses, viel früher als derzeit in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden, etwa
durch Erstattung einer Stellungnahme oder Vorlage konkreter Abänderungsanträge. Keinesfalls sollte es aber die Möglichkeit von Teileinsprüchen seitens des Bundesrates geben. Der Beharrungsbeschluss des Nationalrates sollte weiterhin mit
einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden können. In Bezug auf die Ausweitung der Zustimmungsrechte des Bundesrates, etwa bei Verfassungsgesetzen oder Gesetzen, die den Ländern erhebliche Kosten verursachen, sei keine Einigkeit erzielt worden.

In Bezug auf die Mitwirkung des Bundes an der Landesgesetzgebung halte man den Artikel 98 B-VG für entbehrlich. Die Bestimmungen über die Teilnahme der Länder an der EU (Artikel 23d B-VG) bedürften keinerlei Änderungen.

STÜRZENBECHER: FÖDERALISTISCHE SYSTEME SIND NICHT TEURER

Im Anschluss an die Ausführungen des Ausschussvorsitzenden eröffnete Kurt Stürzenbecher die Diskussion und meinte, trotz mangelnder Ergebnisse habe man eine gute Grundlage für den
weiteren Verlauf des Diskussion geliefert, und darauf könnten durchaus Lösungsanssätze basieren.

Stürzenbecher verteidigte das föderalistische System und
bemerkte, dass dieses im Hinblick auf Effizienz und Kosten nicht teurer sei als ein zentralistischer Staat. Die Frage sei nur, wie man das System organisiere. Das Subsidiaritätsprinzip der EU
müsse auch für Österreich gelten, und dabei gehe es nicht um Macht, sondern um eine Arbeitsverteilung. Die Kompetenztypen müssten drastisch reduziert werden, genauso wie das Versteinerungsprinzip, weshalb Stürzenbecher die Schaffung von Kompetenzfeldern unterstützte. Das Dreisäulenmodell erachtet er als ein innovatives und zukunftsträchtiges Modell. Er halte es
für notwendig, den Bundesrat sinnvoll neu zu gestalten, nicht einverstanden erklärte er sich mit einer gemeinsamen Gesetzgebung der Länder mittels eines gemeinsamen Landtages. Die Aufnahme des Konsultationsmechanismus in die Verfassung ist für ihn ein richtiger Ansatz, hier bedürfe es aber noch einer Detailarbeit.

HOLZINGER: GESETZGEBUNGSKOMPETENZ DER LÄNDER AUSWEITEN

Gerhart Holzinger fasste die Grundanliegen der Reform wie folgt zusammen:
Die Eigenständigkeit der Gesetzgebungskompetenz der Länder sei
ein wesentliches Merkmal des Bundesstaates, sagte Holzinger,
weshalb es inkonsequent wäre, die diesbezüglichen Rechte der Länder auf marginale Bereiche zu beschränken. Die Konsequenz daraus könne nur eine ausgewogene Aufgabenverteilung und eine Ausweitung der Gesetzgebungskompetenz der Länder sein. Zweitens müsse man die Kleinteiligkeit überwinden und, vom geltenden Kompetenzbestand ausgehend, abgerundete Kompetenzbereiche
schaffen. Schließlich sprach sich Holzinger für das Drei-Säulen-Modell aus und meinte, dass es vor allem für die dritte Ebene
einen verfassungsrechtlichen Bedarf gebe. Dabei werde die
Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung große Bedeutung erhalten, weshalb eine Reform des Bundesrates unumgänglich sei.

WIEDERIN: VERHANDLUNGEN SIND AN TOTEM PUNKT ANGELANGT -
POLITISCHE EINIGUNG NOTWENDIG

Als dürftig bezeichnete Ewald Wiederin die Resultate des Ausschusses und bemerkte, dass man sich in erster Linie mit der Makroebene beschäftigt habe. Die eigentlich prekäre Frage, wie
man konkret die Angelegenheiten verteile, sei nicht behandelt worden. Wiederin befürchtet auch, dass die Einigung hinsichtlich des Umfangs der dritten Säule sehr schwierig werden wird. Man sei an einem toten Punkt angelangt, der eine politische Einigung notwendig mache, bevor man weiter verhandle. Diese politische Einigung betreffe die Frage des Modells, die Zusammensetzung des Bundesrates und die Frage, ob es eine mittelbare Verwaltung geben soll.

KHOL: FÖDERALISMUS IST WICHTIGE UND RICHTIGE STRUKTUR

Dieser Beurteilung widersprach Nationalratspräsident Andreas
Khol, der meinte, der Ausschuss stehe keineswegs mit leeren
Händen da. So seien die strukturellen Fragen weitgehend konsensfähig, das Säulenmodell stelle eine große Innovation dar. Khol begrüßte auch das Ziel, abgerundete Kompetenzbereiche zu schaffen. Als wichtig unterstrich der Nationalratspräsident den Konsens betreffend das Subsidiaritätsprinzip und darüber, dass
der Föderalismus eine wichtige und richtige Struktur darstelle.

Khol kritisierte in diesem Zusammenhang den
Einsparungsfetischismus, denn es sei bewiesen, dass auch der Föderalismus eine sparsame Verwaltung ermögliche. Die Zielsetzung sei, eine sinnvoll neu geordnete, sachgerechte und transparente Verfassung zu schaffen. Im Meinungsbildungsprozess habe sich eher die Beibehaltung der mittelbaren Bundesverwaltung herauskristallisiert und es gebe auch Einvernehmen darüber, dass der Bundesrat mit neuen Gestaltungsmöglichkeiten weiter bestehen solle. Diskussionsbedarf sah Khol hinsichtlich der
Zustimmungsrechte des Bundesrates.

ETTL: WEITERE DEZENTRALISIERUNG HEMMT DIE WIRTSCHAFT

Johanna Ettl monierte, dass die Beratungen des Ausschusses zu
wenig von ökonomischen Aspekten geleitet worden seien. Unter den OECD-Ländern weise Österreich einen mittleren Grad der Dezentralisierung auf, eine weitere Dezentralisierung halte sie
für ineffizient und damit wirtschaftshemmend. Ettl nannte als konkretes Beispiel das Anlagenrecht und sprach sich für eine Aufgabenentflechtung und abgerundete Kompetenzfelder aus. Eine Versachlichung sei dringend notwendig, sagte sie und hielt fest, dass ihrer Ansicht nach die dritte Säule möglichst klein gehalten werden sollte. Im Zeitalter der Internationalisierung müsse man eine Fragmentierung des Wirtschafts- und Beschäftigungsstandortes vermeiden. Eine Dezentralisierung setze auch eine funktionierende Zentrale voraus.

KONECNY: AUSSCHÜSSE SOLLEN NACH GESAMTDISKUSSION IHRE ARBEIT
WIEDER AUFNEHMEN

Albrecht Konecny bezeichnete das Drei-Säulen-Modell als richtungsweisend, er fügte jedoch hinzu, dass jeder Ausschuss
nach einer Gesamtdiskussion ein Feedback brauche, um dann auf
dieser Grundlage weiterarbeiten zu können. Der Bundesrat setzte sich daher vehement dafür ein, den Ausschüssen die Möglichkeit zu geben, die Fäden, die sie gesponnen haben, wieder aufnehmen zu können. Konkret schlug Konecny vor, einen Typus Bundesgesetz zu schaffen, für den ein erhöhtes Quorum notwendig sei, der aber dennoch dem Verfassungsgerichtshof als Verfassungsbestimmung
nicht entzogen werde. Abschließend ersuchte Konecny darum, den Bundesrat korrekt in die Verfassung aufzunehmen. (Forts.)

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