ÖSTERREICH-KONVENT: FIEDLER SIEHT GROSSE ARBEITSFORTSCHRITTE Verfassungsentwurf könnte plangemäß bis Jahresende vorliegen
Wien (PK) - Der Vorsitzende des Österreich-Konvents, Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, zog heute eine positive
Bilanz über die bisherige Arbeit des Konvents. Er wies darauf
hin, dass bisher bereits sechs der zehn Ausschüsse des Konvents ihre Berichte vorgelegt hätten, und zeigte sich angesichts der Arbeitsfortschritte optimistisch, dass bis zum Jahresende ein Verfassungsentwurf vorliegen wird. Von zwei weiteren Ausschüssen erwartet sich Fiedler bis spätestens Anfang nächsten Monats Ergebnisse.
Weitgehend Konsens konnte Fiedler zufolge bisher u. a. über die Verankerung bestimmter Staatsziele in der Verfassung, die
Volkswahl des Bundespräsidenten, die Beibehaltung des
Bundesrates, die Stärkung der Auskunftspflicht, die Beibehaltung der mittelbaren Bundesverwaltung, mehr Flexibilität bei der Budgeterstellung, die Verankerung der Kammern in der Verfassung
und die Einrichtung eines drei- statt eines vierstufigen Gerichtsaufbaus erzielt werden. Gleichzeitig gab er aber zu bedenken, dass die Ausschüsse auch in jenen Bereichen, in denen noch keine Einigung erreicht wurde, wertvolle Grundlagenarbeit geleistet und mehrere Lösungsmodelle aufgezeigt hätten. Es sei
das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik, dass Verfassungsfragen in dieser Tiefe und in dieser Breite und nicht
nur punktuell diskutiert würden, unterstrich Fiedler.
In Zahlen lautet die Bilanz zur Halbzeit des Österreich-Konvents:
10 Plenarsitzungen, 86 Ausschusssitzungen und 18 Präsidiumssitzungen. In drei Hearings konnten insgesamt 128 VertreterInnen von 124 gesellschaftlichen Organisationen und Interessenvertretungen ihre Vorstellungen und Anregungen
vorbringen.
Zu folgenden konkreten Ergebnisse sind Fiedler zufolge jene Ausschüsse, die ihren Bericht bisher vorgelegt haben, gekommen:
Der Ausschuss I (Staatsaufgaben und Staatsziele) hat sich Fiedler zufolge darauf geeinigt, wenigstens einige Staatsziele - Bildung, Daseinsvorsorge, umfassender Umweltschutz, tatsächliche Gleichbehandlung von Mann und Frau - in der Verfassung zu
verankern. Überdies sei man übereingekommen, keine taxative, sondern eine demonstrative Aufzählung von Staatszielen
vorzusehen, um der Politik ausreichend Spielraum zu lassen.
Keinen Konsens gebe es hingegen in der Frage, wie man mit der
immer währenden Neutralität, mit den Volksgruppen und mit der sozialen Sicherheit umgehen solle. Auch ob es eine Präambel geben solle, sei noch offen, erklärte Fiedler, allerdings schaue es derzeit eher nach der Befürwortung einer Präambel aus.
Der Ausschuss III (Staatliche Institutionen) schlägt laut Fiedler u. a. vor, auf allen territorialen Ebenen gleiche Wahlgrundsätze
zu verankern. Darunter könnte etwa auch eine einheitliche Prozenthürde bei Wahlen für kleine Parteien fallen. Allerdings stehen einige dieser Wahlgrundsätze noch in Diskussion, z. B. das Mehrheitswahlrecht, ein Familienwahlrecht oder die Herabsetzung
des Wahlalters.
Was den Bundesrat betrifft, besteht nach Darstellung Fiedlers Konsens, dass er beibehalten werden solle, zudem kristallisiere
sich seine Aufwertung in Form einer früheren Einbindung in die Gesetzgebung heraus. Weiterer Diskussionen bedürfe es hingegen
noch über seine Zusammensetzung. Nicht mehrheitsfähig scheint Fiedler die Verankerung eines gebundenen Mandats für Bundesräte
zu sein, also ihre Bindung an Beschlüsse des jeweiligen Landtags.
Einigkeit ortet Fiedler auch hinsichtlich der Beibehaltung der Volkswahl des Bundespräsidenten. Daraus ergibt sich seiner
Ansicht nach gleichzeitig, dass die Rechte des Bundespräsidenten nicht völlig "abgeschlankt" werden. Allerdings könnten die Aufgaben des Bundespräsidenten, so Fiedler, "moderner" gestaltet werden und beispielsweise das Gnadenrecht oder das Recht auf Einberufung von Nationalratssitzungen fallen.
Bei den Landtagen geht die Tendenz laut Fiedler in die Richtung, ihre Aufgaben und Rechte der Verfassungsautonomie der Länder zu überlassen. Allerdings gebe es noch keinen Konsens über diese Frage. Auf jeden Fall bleiben sollte nach überwiegender Meinung
des zuständigen Ausschusses die mittelbare Bundesverwaltung, um eine einheitliche Vollziehung der Gesetze in den Ländern zu
wahren.
Ein großes Sparpotenzial sieht Fiedler durch den Vorschlag, die Bildung von Gemeindeverbänden zu erleichtern, was vor allem für kleine Gemeinden eine Entlastung bringen würde.
Laut Fiedler nicht geklärt werden konnte bisher, wie man mit dem Legalitätsprinzip weiter umgehen solle. Anhänger eines strikten Legalitätsprinzips stünden Anhängern einer größeren Flexibilität der Verwaltung gegenüber.
Dem Ausschuss VII (Strukturen besonderer
Verwaltungseinrichtungen) ist nach Meinung des Konvents-Vorsitzenden mit dem Vorschlag, nicht bei jeder Ausgliederung
eine eigene Verfassungsbestimmung, sondern eine generelle Lösung vorzusehen, ein entscheidender Durchbruch gelungen. Auch für weisungsfrei gestellte Behörden soll es künftig eine einheitliche Regelung geben. Zudem will man ausgegliederte Rechtsträger wieder einer stärkeren parlamentarischen Kontrolle unterwerfen.
Fiedler hob darüber hinaus hervor, dass sich der Ausschuss VII positiv zum Thema Globalbudget geäußert habe. Dies würde eine größere Verantwortung der einzelnen Ressortleiter und eine größere Flexibilität bei der Budgeterstellung bedeuten, unterstrich er. Darüber hinaus sollen spezielle Regelungen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung Willkür hintanhalten bzw. unüberschaubare Doppelförderungen und Doppelprüfungen von Förderansuchen verhindern. Schließlich sei man, so Fiedler, geneigt, Kammern und Sozialpartner in der Verfassung zu
verankern.
Der Bericht des Ausschusses V (Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden) wird Fiedler zufolge heute im Konvent beraten. Hier werde ein "nicht uninteressantes" Modell vorgeschlagen, skizzierte er, und zwar solle es nicht nur eine Zuständigkeit des Bundes und eine Zuständigkeit der Länder geben, sondern in einigen Fällen auch eine gemischte Zuständigkeit. Man lehne sich hier an die Verfassung der EU an. Allerdings bedarf es nach Auffassung Fiedlers noch breiter Diskussionen, wie die Kompetenzverteilung konkret ausschauen soll, wobei es Vorschläge gebe, die derzeit 177 Einzelkompetenzen in 17 oder in 40 Grundkompetenzen zusammenzufassen. Er persönlich würde die Schaffung von Grundkompetenzen jedenfalls begrüßen, sagte
Fiedler.
Abgeschafft werden soll nach Meinung des Ausschusses V das Zustimmungsrecht der Bundesregierung zu Landesgesetzen. Die
Länder hätten dies oft als Bevormundung empfunden, erklärte Fiedler.
Was die Ergebnisse des Ausschusses IX (Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit) anlangt, ist laut Fiedler daran gedacht, die Gerichtsbarkeit zu modernisieren und von einem vierstufigen Gerichtsaufbau zu einem dreistufigen überzugehen, eine, so
Fiedler, langjährige Forderung des Rechnungshofs. Konkret sollten an Stelle der derzeit 2 Eingangsgerichte - Bezirksgericht und Landesgericht - gemeinsame Eingangsgerichte geschaffen werden. Weiters wird angeregt, die Staatsanwaltschaft in der Verfassung
zu verankern.
Der Ausschuss VI (Reform der Verwaltung) hat nach Darstellung Fiedlers nicht die Aufgabe gehabt, eine Verwaltungsreform auszuarbeiten, vielmehr sei es darum gegangen, sich zu überlegen, wie man die Verfassung so gestalten könne, dass
Verwaltungsreformen in Hinkunft einfacher vorgenommen werden könnten, ohne dass sie rasch an verfassungsgesetzlichen Schranken scheitern. Ihm zufolge geht es u. a. um eine gemeinsame Budget-
und Personalverwaltung und um die Einführung von "benchmarks" in der Verwaltung. Konsens bestehe über den Entfall des Zustimmungsrechts der Länder zu Grenzveränderungen von Gerichtssprengeln und zur Abschaffung von Bezirksgerichten.
Im Sinne von mehr Bürgernähe als positiv und als bemerkenswert beurteilte Fiedler den Vorschlag des Ausschusses, die Frage Amtsverschwiegenheit versus Auskunftspflicht neu zu regeln und
die grundsätzliche Amtsverschwiegenheit durch eine grundsätzliche Auskunftspflicht zu ersetzen.
Was die weitere Arbeit des Konvents betrifft, wird es laut
Fiedler in nächster Zeit eine "intensive Phase" für das Präsidium geben, das vor der Aufgabe stehe, weitere Weichenstellungen zu treffen. Schließlich wolle der Konvent einen einheitlichen Verfassungsentwurf und keine Alternativvorschläge vorlegen,
betonte er. Gleichzeitig würden die restlichen Ausschüsse an
ihren Berichten arbeiten, wobei der letzte Bericht Fiedler
zufolge ungefähr im Juni vorliegen sollte. (Schluss)
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