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"Vorarlberger Nachrichten" Kommentar: "Holpriger Wachstumspfad" (Von Kurt Horwitz

Ausgabe vom 02.01.2004

Wien (OTS) - Der Aufschwung ist da, darüber sind sich alle Konjunkturpropheten einig. Berauschende Dimensionen wird er zumindest in unseren Breiten aber nicht erreichen, auch das scheint ziemlich klar. Nur die USA, China und die zentraleuropäischen Beitrittsländer dürfen sich über kräftige Wachstumsraten jenseits der Fünfprozent-Grenze freuen.
Im Vergleich zu früheren Konjunkturzyklen ist das jedenfalls in Österreich ein ziemlich mickriger Aufschwung. Damit nicht genug, sind auch die Zukunftsaussichten getrübt: Forschungsquote, Bildungs- und Sozialsystem sind nicht wirklich konkurrenzfähig. Wir wenden überdurchschnittlich viel Steuergeld für Pensionszahlungen auf, aber zuwenig für "Zukunftsinvestitionen" in Forschung und Bildung.
Das ist alles andere als ein Plädoyer für noch höhere Budgetdefizite. Jene Länder, die ihren Staatshaushalt bereits in Ordnung gebracht haben, haben auch in der Rezession höhere Wachstumsraten verzeichnet als die "Defizitsünder". Österreich hält den Stabilitätspakt zwar ein, von einer echten Budgetsanierung kann aber im Gegensatz zu den skandinavischen Staaten noch keineswegs die Rede sein.
Ein weiterer Punkt muss zu denken geben: Der Aufschwung bringt offensichtlich keine Entlastung auf den Arbeitsmarkt mit sich. Die Nationalökonomen führen das auf eine besondere Art der "grauen Wirtschaft" zurück: In Österreich arbeiten - völlig legal - immer mehr Ausländer. Ihre Bezahlung entspricht zwar dem Kollektivvertrag, die Ausländer schauen aber im Gegensatz zu ihren österreichischen Kollegen nicht auf die Uhr. Sie arbeiten beispielsweise in der Gastronomie oder auf dem Bau weit über die hierzulande üblichen 38 oder 40 Wochenstunden hinaus - selbstverständlich ohne Überstundenentgelt. Auch so können Kollektivverträge unterlaufen werden.
Die EU-Erweiterung wird das Problem noch verschärfen. Von den Übergangsregelungen gegen den unkontrollierten Zustrom ausländischer Arbeitskräfte sollten wir uns nicht allzu viel erhoffen: Immer mehr Arbeitsplätze werden in die Beitrittsländer verlagert. Das Ausbildungsniveau ist dort in vielen Bereichen genauso gut wie in Österreich, das Lohnniveau aber viel niedriger.
Illusionen sollten wir uns also an der Jahreswende heuer keine machen: Es geht zwar aufwärts, aber nur langsam, und auf dem Wachstumspfad liegen beachtliche Stolpersteine. Wir werden umdenken müssen, um den Aufschwung in Wohlstand und Sicherheit umzumünzen. Die Strategien sind altbekannt und bewährt, aber in letzter Zeit etwas in Vergessenheit geraten. Jede Investitionen kostet erst einmal Geld, ehe sie sich - hoffentlich - rentiert. Wir brauchen also langfristige Wachstumsstrategien statt kurzfristiger Gewinnmaximierung und ständigem Hecheln nach quartalsweise steigendem "Shareholder Value". Das gilt für Maschinen genauso wie für Mitarbeiter, für Kundenvertrauen, Lieferantenbeziehungen und verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. Der Aufschwung bietet die beste Gelegenheit, diese Aufgaben anzugehen.

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