"Tiroler Tageszeitung" - Kommentar: "Gewichtige Fragen" (Von Peter Nindler)
Ausgabe vom 2. Jänner 2004
Innsbruck (OTS) - Es ist schon absurd, was sich derzeit auf den Schanzentischen der Vierschanzentournee abspielt. Gewichtige Argumente werden hin und her geschoben, damit die Adler wieder schwerer werden. Zwischen pädagogischer Bewusstseinsbildung und möglicher Reglementierung - Größe und Gewicht ergeben die Skilänge, Handicaps etc. - schwanken die Verantwortlichen. Besser gesagt, sie taumeln in einer Diskussion, die sie in den vergangenen Wochen sprichwörtlich überflogen hat.
Die Anklage des ehemaligen deutschen Skispringers Frank Löffler, der die Hungerproblematik in einem Spiegel-Interview offen angesprochen hat, brachte das Gewicht wieder einmal ins Spiel. Möglicherweise wäre die Debatte abgeebbt, würden nicht derzeit die Leichtgewichte aus Norwegen den Ton angeben. Im Prinzip geht es um ein vorherrschendes Ungleichgewicht: Absprungkraft kann zu "viele" Kilos nicht kompensieren. Andererseits lässt sich die Absprungkraft auch nicht ewig reizen. Skispringer benötigen nun einmal Muskelkraft am Schanzentisch. Und Kraft baut man auf und hungert sie nicht ab. Noch scheint die Balance zu funktionieren, allerdings wie lange noch? Sportler gehen an ihre Grenzen, überschreiten sie oft. Alles wird der Zieldefinition "schneller, höher weiter" untergeordnet. Reglements sind deshalb nur bedingt eine Antwort auf den steigenden Leistungsdruck, den natürlich die Öffentlichkeit im Allgemeinen und die Medien im Besonderen ausüben. Nur wer vorne ist, erhält einen extrem langen Anlauf für Anerkennung und für die Sponsoren. In diesem Teufelskreis ist auch Doping beheimatet. Aus legal wird plötzlich illegal, die Gesundheit zur wichtigsten Nebensache der Welt.
Das wirksamste Reglement kann nur im Kopf der Sportler und des Sports an Weite gewinnen. Ansonsten wird die Balance endgültig aus allen Fugen geraten - nicht nur im Skispringen.nindler@tt.com
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