- 29.12.2003, 16:46:28
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WirtschaftsBlatt-Kommentar Congratulazioni, Signore Berlusconi!
von Michael Laczynski
Wien (OTS) - Sehr geehrter Herr Premier Silvio Berlusconi! Sechs
Monate lang haben Sie als Vorsitzender der Europäischen Union den
Takt vorgegeben, in zwei Tagen werden Sie den Taktstock an die Iren
weiterreichen. Für uns unbeteiligte Beobachter wird das ein besonders
schmerzhafter Abschied werden, schliesslich haben wir Ihnen die
spannendste, lustigste und abwechslungsreichste EU-Präsidentschaft
seit 1999, als die gesamte Kommission wegen Korruptionsvorwürfen
zurücktreten musste, zu verdanken.
Gestatten Sie uns also einen Rückblick auf die Höhepunkte des
vergangenen Halbjahres. Ihr grösstes Verdienst für die europäische
Sache war zweifellos die Einführung einer charmanten
Operettenhaftigkeit im kühlen Norden. Wer weiss, wie der Brüsseler
Verfassungsgipfel hätte ausarten können, wenn Sie nicht die Stimmung
mit Kalauern über Autos, Frauen und Hubschrauberabstürze gehoben
hätten. Ohne Ihren Einsatz wäre es womöglich zu Handgreiflichkeiten
gekommen! Und erst Ihr grandioser Auftritt vor dem Europaparlament im
Juli: Ein Sager über Deutsche und KZ-Wächter, und das mediale
Sommerloch war gefüllt.
Überhaupt diese Deutschen: blonde, humorlose Spiesser, die
Italiens Strände überrennen - eine präzise Beschreibung durch ihren
Tourismus-Staatssekretär (der kurz nach seiner Aussage leider den Hut
nehmen musste). Und dass Gerhard Schröder daraufhin seinen
Italienurlaub absagte und stattdessen in Hannover blieb, zeugt nur
davon, dass der Mann eines nicht verstanden hat: Humor ist, wenn man
trotzdem lacht!
Ebenfalls lobend zu erwähnen ist Ihr unermüdliches Engagement für
missverstandene Staatsmänner. Jetzt wissen wir endlich, dass
Mussolini ein gutmütiger Despot war, der Regimegegner zur Umerziehung
in Ferienlager zu schicken pflegte, und dass die Gräueltaten in
Tschetschenien, die Wladimir Putin angelastet werden, allesamt
erfunden sind - dort wird nur ein Krieg gegen den Terror geführt.
Glücklicherweise bleiben Sie uns noch als Italiens Regierungschef
erhalten. In den kommenden Wochen und Monaten werden wir mitverfolgen
können, wie Sie mit renitenten Richtern, aufmüpfigen Gewerkschaftern
und gierigen Parmalat-Managern fertig werden. Wobei Ihre ersten
Massnahmen in der Causa Parmalat eher enttäuschen. Staatliche
Aufsicht, Sanierungspläne, neue Aufsichtsbehörden: So ernst, so
vernünftig - das schaut gar nicht nach Ihnen aus, Signore Berlusconi.
Bitte bessern!
OTS0124 2003-12-29/16:46
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