Frauentag: gleiche Rechte und Chancen für Einwandererinnen
Offener Brief mit Forderungen von Integrationsfonds und Migrantinnenvereinen
Wien (OTS) - Wiener Migrantinnenberatungsvereine und der Wiener Integrationsfonds übermittelten anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März Frauenministerin Maria Rauch- Kallat (ÖVP) sowie den Frauenvorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien einen offenen Brief. Im Mittelpunkt dieses Briefes stehen zentrale Maßnahmen für eine Verbesserung der derzeit extrem benachteiligten Situation von Zuwanderinnen. Die Migrantinnenvereine und der WIF fordern darin unter anderem:
- Die Ermöglichung dauerhafter Einwanderung für alle beruflichen Tätigkeiten und Einkommensniveaus
- Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht und Arbeitsmarktzugang für Frauen ab Einreise
- Die Anerkennung von Sprachkompetenzen und Bildungsabschlüssen
- Die Gleichstellung bei sozialen und politischen Rechten
- Die Abschaffung der Zwangssprachkurse
- Ein Österreich weites Antidiskriminierungsgesetz sowie
- Mehrjährige Förderverträge für Migrantinnenberatungsvereine anstelle weiterer Ausdünnung durch die "Kaputtsparpolitik" des Bundes.
Die Migrantinnenvereine und der WIF üben in dem offenen Brief aber auch heftige Kritik an der Zuwanderungs- und Integrationspolitik der Bundesregierung. Laut Regierungsprogramm der neuen österreichischen Bundesregierung soll die neue Frauenpolitik ALLE Frauen ansprechen. Nicht genannt werden jedoch, so Fonds und Migrantinnenvereine, Einwandererinnen, die als Frauen und wegen ihrer Herkunft doppelt benachteiligt sind.
Beseitigung rechtlicher Diskriminierung und besondere Fördermaßnahmen für eingewanderte Frauen wegen doppelter Benachteiligung
Der WIF und die Migrantinnenvereine verlangen daher einerseits die Beseitigung rechtlicher Diskriminierung sowie andererseits besondere Fördermaßnahmen für eingewanderte Frauen. Dazu gehöre vor allem die Einräumung des sofortigen Zugangs zum Arbeitsmarkt ab der Einreise, wird im offenen Brief festgehalten. Der seit 1. 1. 2003 in Kraft befindliche, durch die Novellierung des Fremden- und Ausländerbeschäftigungsgesetzes eingeführte Niederlassungsnachweis tue dies nämlich erst nach 5 Jahren Niederlassung.
Vor allem aber kritisieren die Organisationen die insgesamt weitreichende strukturelle Diskriminierung von Frauen bei der Gestaltung der Einwanderungspolitik im Rahmen der Fremdenrechtsnovelle von 2002.
Einwanderung für "Schlüsselkräfte" auf Männer zugeschnitten
Kritisch angemerkt wird im offenen Brief, dass mit der Fremdenrechtsnovelle 2002 vor allem die Neuzuwanderung auf so genannte Schlüsselkräfte eingeschränkt und damit legale Neuzuwanderung aus dem Ausland von einfacher qualifizierten Arbeitskräften bzw. diverser FacharbeiterInnen völlig unterbunden worden ist. Die Definition von Schlüsselkräften ist unter anderem durch ein Mindesteinkommen von Euro 2016,-- (für 2003) gekennzeichnet. Frauen in der EU verdienen aber laut einer vom Eurostat durchgeführten EU- weiten Erhebung im Durchschnitt ein Viertel, Österreich weit sogar bis zu 45 % weniger als Männer. Frauen sind zusätzlich überproportional in schlecht bezahlten Berufen tätig. Diese Punkte treffen auf Migrantinnen in besonderer Weise zu, wird im offenen Brief konstatiert. Durch diese hohe Einkommensgrenze werden Frauen daher von dauerhafter Einwanderung zum Zweck der Erwerbstätigkeit überwiegend ausgeschlossen. Was bleibe, sei oft nur die irreguläre Einwanderung, unterstreichen die Vereine und der WIF. Einzige dauerhafte Einwanderungsschiene, die ihnen weiterhin offen stehe, sei der Nachzug zu einem bereits in Österreich als Erwerbstätiger niedergelassenen Ehepartner.
Frauen als Pendlerinnen und Grenzgängerinnen krass benachteiligt
Zugewanderte Frauen werden andererseits als Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialbereich aber stark nachgefragt, wo die Einkommen regelmäßig weit unter der genannten Grenze liegen. Nach der Novelle 2002 steht diesen daher nur mehr das Arbeiten als Wochenpendlerinnen, Grenzgängerinnen oder kurzfristig Beschäftigte (ehemals Saisonierinnen) in Österreich offen. Das bedeute, dass diese Frauen keine wie auch immer geartete soziale Absicherung genießen. Der Ausbeutung sei hiermit Tür und Tor geöffnet, betonen der WIF und die Organisationen in dem offenen Brief. Kritik geübt wird außerdem an der Tatsache, dass sogar für diese Tätigkeiten eine Mindesteinkommensgrenze von Euro 1344 (ATS 18.500) eingezogen werden soll.
Unverändert restriktiver, frauenfeindlicher Familiennachzug: Innenminister brüstet sich damit in Europa
Als besonders kritikwürdig erachten die Organisationen weiters die unverändert restriktive Familiennachzugsregelung, die zu Wartefristen bis zu 5 Jahren, großer Entfremdung unter den Familienmitgliedern bzw. EhepartnerInnen und menschlichen Härtefällen führt. Dazu im Wortlaut aus dem offenen Brief: " Die Bundesregierung ist überdies bestrebt, diese Restriktionen auch auf gesamteuropäischer Ebene durchzubringen. Im Rat der Justiz- und Innenminister wurde am 27. / 28. 02. 03 über einen ursprünglich vom Dezember 1999 stammenden, inzwischen weitgehend verschlechterten Vorschlag der Kommission beraten, der auch politisch akkordiert wurde. Innenminister Strasser brüstete sich gegenüber der Presse, die restriktive österreichischen Regelung auf EU-Ebene durchgesetzt zu haben: So soll die Richtlinie entgegen ihrer ersten Textierung eine dreijährige Wartefrist ermöglichen sowie sich ausschließlich auf den engen Begriff der Kernfamilie beziehen. Das sind EhegattInnen und minderjährige unverheiratete Kinder, die ihren Antrag vor dem vollendeten fünfzehnten Lebensjahr gestellt haben. Der Wunsch Österreichs nach einer 5-jährige Wartefristen ging nicht durch." Der Fonds und die Migrantinnenvereine fordern daher neuerlich umso vehementer als dringliche Sofortmaßnahmen, den Familiennachzug generell aus der Quotenregelung herauszunehmen.
"Integrationsvereinbarung" erschwert Zugang zum Arbeitsmarkt, "Deutsch-Integrationskurse" ohne Kinderbetreuung
Die Migrantinnenvereine und der Integrationsfonds weisen in ihrem offen Brief aber auch auf die besondere Schlechterstellung von Migrantinnen durch die sogenannte Integrationsvereinbarung hin: " Frauen, die als Familienangehörige nach Österreich kommen, sind weiterhin Jahre lang völlig von ihren Ehepartnern abhängig: die ersten Jahre droht nach einer Trennung die Ausweisung, und sie sind faktisch von der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Der mit 1. 1. 2003 eingeführte Zwang zum Erwerb der deutschen Sprache unter Androhung von Sanktionen bis hin zur Ausweisung verschärft sowohl diese rechtlichen Unsicherheiten als auch die genannten Abhängigkeiten von Frauen. Dazu kommt, dass ein Selbstbehalt von mindestens 50% bei den Kurskosten besteht. Diese wird mangels Zugangs zum Arbeitsmarkt und eines eigenen Einkommens der nachziehenden Frauen der Ehemann tragen müssen. Der Zugang zum Niederlassungsnachweis und damit der freie Zugang zum Arbeitsmarkt ist erst nach 5 Jahren Niederlassung und Erfüllung der "Integrationsvereinbarung" möglich."
Trotz aller vollmundigen Bekenntnisse zur Förderung von Einwandererinnen beim Spracherwerb habe die alte wie auch neue Bundesregierung in ihrer Durchführungsverordnung zur "Integrationsvereinbarung" außerdem auf die Finanzierung von begleitenden Kinderbetreuungsmaßnahmen "vergessen", so die Kritik von WIF und Migrantinnenvereinen.
Beruflicher und sozialer Abstieg derzeit die Regel
Weiters stellen die Organisationen und der WIF im offenen Brief fest: "Alle diese Diskriminierungen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass eingewanderte Frauen in Österreich in einem hohen Ausmaß unter ihrem eigentlichen Ausbildungsniveau beschäftigt sind. Eine adäquate Beschäftigung wird ihnen vielfach unmöglich gemacht, da Ausbildungsabschlüsse in Österreich nicht oder nur nach äußerst aufwendigen Nostrifikationsverfahren anerkannt werden. Charakteristisch für die Erwerbstätigkeit von Migrantinnen ist eine starke Konzentration auf wenige Branchen. Rund zwei Drittel der Nicht-EWR-Staatsbürgerinnen arbeiten in Österreich in nur vier Bereichen; 23 Prozent aller ausländischen Frauen arbeiten im Bereich "Reinigung", 28 Prozent im Fremdenverkehr, d.h. insgesamt 55% in Dienstleistungsberufen, die gleichzeitig durch schwere körperliche Arbeit, hohe saisonale Arbeitslosigkeit, niedriges soziales Prestige, Einkommen und geringe berufliche Aufstiegschancen gekennzeichnet sind."
Arbeit der Migrantinnenberatungsorganisationen wird vom Bund schwer behindert
Abschließend machen der WIF und die Migrantinnenvereine auch auf die äußerst prekäre finanzielle Situation der Migrantinnenberatungsorganisationen aufmerksam, deren Förderung in den Jahren seit Antritt der FPÖ-ÖVP-Koalitionsregierung kontinuierlich gekürzt wurde:" Bedarf und Nachfrage an Beratungsleistungen der Migrantinnenorganisationen sind aufgrund der von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen kontinuierlich gestiegen. Es ist daher unzumutbar, dass die Organisationen seit vielen Monaten auf ihre Förderzusagen warten müssen. Eine mittel- und längerfristige Planung der Beratungs- und vielfältigen Projektarbeit wird dadurch erschwert bis unmöglich gemacht. Die angestrebte Projektfinanzierung gerät auch immer wieder in Widerspruch mit von den Ministerien verlangten Kriterien, wie z.B. Arbeitsmarktrelevanz von EDV- und anderen Kursen für Frauen, während der Zugang dieser Frauen zu unselbständiger Beschäftigung fehlt." (gph/schluss)
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Gabriele Philipp
Pressereferentin des Wiener Integrationsfonds
Tel.: 4000/81547
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