- 24.02.2003, 14:59:16
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Gusenbauer zu Regierungsverhandlungen: Alleinige Verantwortung trägt ÖVP und Wolfgang Schüssel
SPÖ weist alle ÖVP-Legenden strikt zurück - "Schüssel sucht nach Ausreden für abermalige Hinwendung zur FPÖ"
Wien(SK) Das Parteipräsidium der SPÖ hat in seiner heutigen
Sitzung Parteivorsitzendem Alfred Gusenbauer und allen
SPÖ-Unterhändlern "für die intensiven und in voller Geschlossenheit
unternommenen Bemühungen in Richtung der Bildung einer
österreichischen Bundesregierung auf breiter Basis und mit einer
mutigen Reformperspektive" gedankt. SPÖ-Chef Gusenbauer bekräftigte
in einer Pressekonferenz im Anschluss: "Die ÖVP hat die Chance auf
eine ehrgeizige Reformregierung ausgelassen, Wolfgang Schüssel trägt
daher die alleinige Verantwortung für die Entwicklung der
Verhandlungen und des Landes. Alle jetzt von der ÖVP-Propaganda in
Umlauf gebrachten Legenden werden von der SPÖ strikt zurückgewiesen.
Sie dienen nur als Ausrede für die abermalige Hinwendung zu
Schwarz-Blau." Gusenbauer unterstrich in diesem Zusammenhang den
Umstand, dass die SPÖ die einzige Partei ist, mit der die ÖVP keine
Regierungsverhandlungen aufgenommen habe. ****
Aufgrund der geringen Reputation von Schwarz-Blau, aufgrund der zu
erwartenden Instabilität und aufgrund der Reformunfähigkeit einer
schwarz-blauen Koalition versuche Wolfgang Schüssel nun, eine
"Quasi-Zwangsläufigkeit seiner Entscheidung" herbeizureden; die ÖVP
betreibe eine Geschichtsklitterung, kritisierte Gusenbauer. Die ÖVP
sei außerdem tief gespalten; immerhin hätten drei Landeshauptleute
und ein wichtiger Kammerpräsident nicht für Regierungsverhandlungen
mit der FPÖ gestimmt. Demgegenüber habe sich das SPÖ-Präsidium am 21.
Jänner mit nur einer einzigen Gegenstimme für Regierungsverhandlungen
mit der ÖVP ausgesprochen. "Die SPÖ", so Gusenbauer, "ist also
weitaus geschlossener als die ÖVP."
Für den Fall, dass die schwarz-blauen Regierungsverhandlungen nun
doch nicht erfolgreich sind, stellte Gusenbauer klar: "Wir werden für
eine etwaige Nachspielzeit nicht mehr zu haben sein." Österreich
warte nun lange genug auf eine Regierung und Schüssel habe lange
genug Zeit gehabt, eine Regierung zu bilden. Wenn es nun mit
Schwarz-Blau auch nicht klappen sollte, sollte VP-Obmann Schüssel
nach Ansicht Gusenbauer zum Bundespräsidenten gehen und sagen, "dass
er nicht im Stande ist, eine Regierung zu bilden, obwohl er
ursprünglich drei Optionen gehabt hat". Politik, so Gusenbauer, "ist
eine ernsthafte Angelegenheit, aber auch wenn manche glauben, es
handelt sich um ein Theater, muss es - wie im Theater - einen Anfang
und ein Ende geben. Entweder bildet Schüssel eine Regierung oder es
steht der Gang zu Thomas Klestil an".
Wie der stv. SPÖ-Vorsitzende Heinz Fischer übte auch
Gusenbauer Kritik an der Art und Weise, wie die ÖVP mit der SPÖ in
der Sondierungsphase umgegangen sei. Eineinhalb Tage vor dem
entscheidenden ÖVP-Vorstand habe die ÖVP Heinz Fischer ein
28-seitiges Papier vorgelegt, das jede Menge Unabgesprochenes und
auch jede Menge Fallen enthalten habe. So habe die ÖVP etwa versucht,
die Ausgaben für die Landwirtschaft durch eine trickreiche
Formulierung um rund zwei Mrd. Euro zu erhöhen.
Auf die Frage, warum die SPÖ überhaupt mit der Schüssel-ÖVP
sondiert habe, stellte Gusenbauer klar, dass es der SPÖ darum ging,
die Interessen ihrer 1,8 Millionen Wähler zu wahren, und dass die SPÖ
ihre Reformpläne für die Zukunft des Landes in einer stabilen
Reformregierung umsetzen wollte.
"Wir werden die kommende Regierung jedenfalls engagiert mit unseren
Reformkonzepten konfrontieren und Druck machen, damit der Reformstau
in Österreich aufgelöst wird", kündigte der SPÖ-Chef an. Angesicht
der herrschenden Rekordarbeitslosigkeit betonte Gusenbauer die
Notwendigkeit einer Wirtschaftsankurbelung in Form einer steuerlichen
Entlastung für niedrige Einkommen bereits im Jahr 2003. Eine
Entlastung erst im Jahr 2005 sei für die Belebung der Konjunktur auf
jeden Fall zu spät.
Gusenbauer unterstrich auch die Position der SPÖ zum Thema
Pensionsreform und untermauerte dies mit einem anschaulichen
Beispiel. Die SPÖ sei für ein einheitliches Pensionssystem ab sofort;
die Abschaffung der Frühpensionen dürfe nur gemeinsam mit einem Paket
für Arbeitnehmer erfolgen. Ansonsten würden sozial Schwächere und
benachteiligte Personen ein zweites Mal durch eine schwarz-blaue
Einschnitte hart getroffen.
Gusenbauer führte ein Beispiel an, um zu veranschaulichen, welche
massive Folgen die einseitige Abschaffung der Frühpensionen ohne
Begleitmaßnahmen für einzelne Gruppen hätte. Ein 57-jähriger
Bauhilfsarbeiter (verheiratet, seine Gattin ist nicht berufstätig)
hat im Juni 2000 sein 57. Lebensjahr vollendet und ist seither
arbeitslos. Der Mann konnte nicht in die vorzeitige Alterspension
wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gehen, da die schwarz-blaue
Bundesregierung diese abgeschafft hat. Auch eine Invaliditätspension
bekommt er nicht, da er ein ungelernter Arbeiter ist und etwaige
Portierstätigkeiten verrichten könnte. Bis Dezember 2001 bezog er
Arbeitslosengeld in der Höhe von 29 Euro pro Tag, das sind 870 Euro
pro Monat. Seit Jänner 2002 bezieht er Notstandshilfe in der Höhe von
783 Euro pro Monat. Sein frühest möglicher Pensionsantritt wäre der
1. Jänner 2005 (61,5 Jahre). Seine fiktive Pension zum Stichtag 1.
Juli 2000 (bei vorzeitiger Alterspension wegen geminderter
Arbeitsfähigkeit) hätte 900 Euro pro Monat betragen. Sein
Einkommensverlust vom 1. Juli 2000 bis zum 1. Jänner 2005 macht 4.752
Euro aus (48.600 Euro fiktive Pension - 43.484 Euro Arbeitslosengeld
plus Notstandshilfe) bzw. im Durchschnitt 88 Euro pro Monat. Wenn die
Abschaffung der vorzeitigen Alterspension so erfolgt, wie es die ÖVP
angekündigt hat, bedeutet dies für den Bauhilfsarbeiter: Kein
Pensionsantritt am 1. Jänner 2005,sondern erst am 1. Dezember 2006
(23 Monate verlängert durch 2 Monate Anhebung pro Quartal). Dadurch
kommt es zu einem weiteren Verlust an Einkommen vom 1. Jänner 2005
bis 1. Dezember 2006 in der Höhe 2.691 Euro (20.700 Euro fiktive
Pension - 18.009 Notstandshilfe). Der Gesamtverlust für diesen Mann
betrüge also 7.443 Euro (vom 1. Juli 2000 bis 1. Dezember 2006) bzw.
im Durchschnitt 97 Euro pro Monat.
Dieses Beispiel zeige, so Gusenbauer, "zu welch massiven Einbußen die
ÖVP-Pläne gerade bei Menschen, die ein Leben lang hart gearbeitet
haben und die zum unteren Einkommensdrittel gehören, führen würden".
Das SPÖ-Modell wäre hier viel gerechter, weil es die Lasten der
Pensionsreform auf viel mehr Menschen verteilen würde und die
subjektive Betroffenheit dadurch geringer ausfallen würde. (Schluss)
ml
Rückfragehinweis: Pressedienst der SPÖ
Tel.: (++43-1) 53427-275
http://www.spoe.at
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