- 27.11.2002, 18:02:46
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Tiroler Tageszeitung" - Kommentar: "Staatstragend ist..." (Von Peter Plaikner)
Ausgabe vom 28. November 2002
Innsbruck (OTS) - Österreich nach der Wahl ist Österreich vor der
Wahl: Haider agiert, Schüssel taktiert. Doch der laute Tatendrang des
Landeshauptmannes wirkt ziellos und die stille Strategie des
Bundeskanzlers zwingend.
An der Regierungsunfähigkeit der FP hat sich seit dem
Koalitionsende nichts geändert. Ein Parteiausschluss Haiders ist der
Haider-Partei unmöglich. Die VP muss diesen Partner vergessen, wenn
sie das soeben gewonnene Vertrauen nicht schnell wieder verspielen
will.
SP und Grüne haben sich per Versprechen vor und nach der Wahl aus
dem Koalitionsrennen genommen. Diese Oppositionsansagen bieten
mindestens so hohe Risiken wie das Mitregieren. Rot fürchtet, als
Juniorpartner immer schwächer zu werden. Grün glaubt, innerparteilich
keinen schwarzen Partner auszuhalten. Auch Vorbehalte gegen eine
große Koalition sind so berechtigt wie Warnungen vor Experimenten mit
Regierungsnovizen. Aber Verweigerung von Verantwortung ist Kalkül
einer Partei, nicht Auftrag ihrer Wähler.
Diesmal wiegt Zurückweisung doppelt schwer. Sollten sich
Gusenbauer und Van der Bellen konsequent zieren, bleibt der VP nur
die FP. Doch das Ende von Schwarz-Blau war wichtigstes Ziel jenes
Rot-Grün, das sich nun nicht ausgeht. Zur Wahl stehen nie
Koalitionen, sondern immer Parteien. Die Bildung von
Zweckgemeinschaften ist ihre, nicht der Bürger Aufgabe.
Das Scheitern an einer solchen Herausforderung wiegt schwerer als
das Brechen von Versprechen, die ohnehin niemand glaubt. Die VP wurde
nicht bestraft, weil sie 1999 statt der Umsetzung ihrer
Oppositionsansage lieber den Kanzler stellte. Doch SP und Grünen
könnte es schwer heimgezahlt werden, wenn aufgrund ihrer Absagen
keine stabile Staatsführung entsteht.
Bleibt Schüssel allein, kann er seinen vielleicht stärksten Trumpf
spielen: Minderheitsregierung mit Angriff auf die absolute Mehrheit
beim nächsten Urnengang 2003. Kreisky hat es 1971 vorgemacht:
Österreich nach der Wahl ist Österreich vor der Wahl.
Rückfragehinweis:
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