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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Da capo für die Wende" (von Erwin Zankel)

Ausgabe vom 25.11.2002

Graz (OTS) - Entlang der Seitenfront der Staatsoper in Wien hängt ein riesiges Transparent, das angeblich vom Bundeskanzler persönlich angeregt worden ist. Es zeigt Wolfgang Schüssel beim Cellospielen und verkündet nur zwei Worte: "Da capo".

Für alle, die in der Sprache der Musik nicht so bewandert sind, sei die Botschaft übersetzt: "Noch einmal von Anfang an."

Von Anfang an. Man muss in den Geschichtsbüchern fast vier Jahrzehnte zurückblättern, um die ÖVP als stärkste Partei zu finden. Das war zuletzt 1966 unter Josef Klaus der Fall. Die Parteizentrale war damals noch im Palais Todesco, genau gegenüber der Staatsoper.

Auf den Anfang zurückgefallen ist die FPÖ. Sie steht vor einem Trümmerhaufen. 1986 hat Jörg Haider die bereits mehr tote als lebendige Partei vor dem Hinscheiden bewahrt und mit knapp zehn Prozent den Grundstein zu seinem beispiellosen Siegeszug gelegt. Jetzt ist die FPÖ wieder auf zehn Prozent abgestürzt. Haider hat sein Lebenswerk selbst zerstört.

Geerbt hat fast alles Schüssel. Die Wähler, die seit 1986 zu Haider übergelaufen sind, wanderten geschlossen zur ÖVP zurück. Die Detailergebnisse aus den Landgemeinden und auch aus den Städten belegen, das der Wähleraustausch nahezu im Verhältnis 1:1 erfolgte. In den Industrierevieren, wo die Roten 1999 ausbluteten, kehrten die abtrünnigen Arbeiter nur zögernd zur SPÖ zurück.

Aus dem Wahlergebnis lässt sich also ein eindeutiger Wählerauftrag ableiten: Die Mehrheit der Österreicher will eine Fortsetzung der Wende, die Anfang 2000 nach den quälend langen Sondierungsgesprächen mit der Bildung der schwarz-blauen Koalition eingeleitet worden ist.

Theoretisch ist Schüssel in einer komfortablen Position. Die ÖVP wurde so stark, dass sie mit allen anderen im Parlament vertretenen Parteien eine Koalition bilden könnte, ohne dass einer der Partner in der Lage wäre, den Führungsanspruch Schüssels auch nur in Zweifel zu ziehen.

Praktisch ist die Aufgabe viel heikler. Ein Bündnis mit den Grünen ist ein Wunschdenken, wenn nicht das Hirngespinst mancher Schwarzer. Eine Wiederbelebung der großen Koalition unter umgekehrten Vorzeichen möchten zwar Mächtige bei den Roten und auch den Schwarzen erzwingen, doch müsste Schüssel damit rechnen, dass sich die SPÖ noch reformunwilliger geben wird als unter dem von den Gewerkschaftern ausgebremsten Viktor Klima.

Einfach wird es für Schüssel nicht werden, die FPÖ wieder ins Boot zu bringen. Die als stärkerer Partner in die schwarz-blaue Ehe gegangene Partei wurde auf ein Drittel ihrer Stimmen dezimiert. Der tapfere und bemitleidenswerte Herbert Haupt möchte zwar das Bündnis fortsetzen, aber will das auch Haider? Sieht der Kärntner Landeshauptmann einmal die Schuld bei sich oder wieder nur bei den anderen?

Wolfgang Schüssel ist es zuzutrauen, auch diese Klippe zu umschiffen. Der von seinen Gegnern und auch Freunden oft unterschätzte Bundeskanzler hat einen in diesem Ausmaß von niemandem vorausgesagten Triumph gefeiert. Mit seinem Siegeswillen hat er wahrhaft Berge versetzt. ****

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