"Die Presse" Kommentar: "Die Gründe eines Triumphs" (von Andreas Unterberger)
Ausgabe: 25.11.2002
Wien (OTS) - Schon das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen hätte den größten Zugewinn bedeutet, den je eine österreichische Partei hat erzielen können. Das jetzige Ergebnis, der alle Hoffnungen/Befürchtungen/Erwartungen übertreffende Triumph der Volkspartei, übersteigt alle bisherigen Phantasien.
Zu allererst ist der Sieg einer des Wolfgang Schüssel. Er hat sich zum überzeugendsten politischen Leader des Landes seit langem gemausert, hat von den Sanktionen bis zu den Haider-Exzessen viele Feuerproben brillant durchstanden. Sensationell viele Österreicher glauben - oder hoffen zumindest -, daß er der beste, wenn nicht einzige Mann ist, der Österreich durch wirtschaftlich kritische Zeiten steuern kann. Die Volkspartei wird gut daran tun, ihm das Steuerruder auch wirklich unangefochten zu überlassen. Weder Bünde noch Länder dürfen nun - gerade bei den nötigen drastischen Maßnahmen - ins Ruder greifen, wenn die Partei noch jemals an diesen Triumph anschließen will. Schüssel selbst wird zugleich Stärke wie Demut brauchen; er kann aber auch damit rechnen, daß er mit diesem Sieg enorm an internationaler Reputation dazugewonnen hat.
Der zweite Erfolgsfaktor heißt Karl-Heinz Grasser, der einzige Mann, der für den allerhärtesten Posten des Landes, nämlich den des Finanzministers, in Frage kommt.
Der dritte war die Selbstvernichtung der FPÖ. Sie hat an die ÖVP all jene Wähler zurückgeben müssen, die im Lauf der Jahrzehnte aus Frust zu den Blauen gewechselt waren, weil die ÖVP nur noch als Mehrheitsbeschaffungsverein für sozialdemokratische Kanzler angetreten war. Als die ÖVP endlich wieder einen konservativen Führungsanspruch stellte (den die Wahlergebnisse seit 1983 kontinuierlich unterstützt hatten), und vor allem als Jörg Haider die gar nicht so schlechte Arbeit der FP-Minister sabotierte, kehrten sie geschlossen zurück.
Auf der anderen Seite hat die SPÖ noch nicht die nach allzu langer Machtausübung notwendige Erneuerung vollzogen. Ihr Problem heißt nicht Alfred Gusenbauer, sondern Richtungslosigkeit und personelle Ausdünnung.
Die Österreicher haben gesprochen. In einer alle Debatten ausschließenden, daher dankenswerten Deutlichkeit.
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