DER STANDARD-Kommentar: "Veto gegen ein Herzstück" (von Helmut Spudich) - Erscheinungstag 15.6.2002
(ots) - Der Geist, der stets verneint, hat wieder einmal zur scheinbar schärfsten Form seines Widerspruchs gegriffen, dem Veto. Die FPÖ werde ein Veto gegen die Osterweiterung einlegen, wenn Österreich keinen neuen Transitvertrag erhält, erklärte Verkehrsminister Mathias Reichhold. Das reiht sich wunderbar unter die anderen Anlässe ein, die der FPÖ ein Veto gegen die Osterweiterung wert sind, namentlich Temelín und die Benes-Dekrete. Die FPÖ pflegt also am Tag nachdem sie - mit tatkräftiger Mithilfe der EU übrigens - die Banken als großen Feind des kleinen Mannes ausgemacht hat, liebevoll ihr zweites Feindbild im Talon, die Oststaaten.
Jetzt mag dies alles nur Stimmenoptimierung für heraneilende Wahlen sein, belanglos ist es nicht. Denn wenn sich die FPÖ mit einer Veto-& Anti-Banken-Plattform in Wahlform bringt, dann bringt dies die ÖVP in zunehmende Bedrängnis. Für diese ist die Erweiterung ein "Herzstück", wie es Bundeskanzler Schüssel nannte, und ein herzloser Partner wäre wohl doch noch ein zwingender Scheidungsgrund.
Dies alles für Theaterdonner zu halten wäre grobe Fahrlässigkeit. Schließlich stehen die Aussichten für eine Kanzlerschaft Haiders unter dem jetzigen Bundespräsidenten suboptimal - will Klestil nicht geächtet statt geachtet in Pension gehen. Haider hat nichts zu verlieren, wenn er die FPÖ in die Opposition zurücktreibt. Wohl aber könnte er Stimmen der ewig Unzufriedenen verspielen, wenn die FPÖ der Erweiterung zustimmt.
Bis dahin ist noch etwas Zeit. Inzwischen könnte ja Verkehrsminister Reichhold ein bisserl verhandeln in Brüssel, damit er mit seinem Geschrei nicht zu überdecken braucht, dass sämtliche FP-Minister in zweieinhalb Jahren bisher nur eins zu Stande brachten: null, wie Kollege Grasser zu sagen pflegt.
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