Drogen im Straßenverkehr
Bemerkenswerte Ergebnisse der Experten-Befragung
Wien, (OTS) Seit längerer Zeit findet in Österreich auf unterschiedlichen fachlichen, wissenschaftlichen und politischen Ebenen eine mehr oder weniger intensive Debatte zum Themenbereich "Drogen im Straßenverkehr" statt.
Bei diesem Thema sind, neben Fragen der Verkehrssicherheit, der Straßenverkehrsordnung und des Führerscheingesetzes, auch grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen wie z.B. den Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens sowie Fragen des Strafrechtes bzw. Suchtmittelrechtes zu bedenken.
Der Fonds Soziales Wien hat es sich zum Anliegen gemacht, eine der Kernfragen, nämlich "Was können Drogentests im Zusammenhang mit ‚Drogen im Straßenverkehr’ leisten?" im Rahmen einer schriftlichen ExpertInnenbefragung abzuklären.
Der entsprechende Fragebogen erging am 25. März österreichweit an 21 Personen aus den Fachbereichen Pharmakologie/Toxikologie, Chemie und (gerichtliche) Medizin sowie an zwei Personen aus dem Fachbereich Verkehrspsychologie.
Von den 23 angeschriebenen Personen gab es bis einschließlich 6. Mai 18 Rückmeldungen (78%), davon 14 mit retourniertem, ausgefülltem Fragebogen (61%). Die Rücksendung erfolgte bei sechs Personen anonym.
Ergebnisse im Detail
o Harntest
Demnach sind Harntests nicht geeignet zu Aussagen über
1. den genauen Zeitpunkt des Konsums eines psychotropen Medikamentes/einer Droge (nein: 92,9%)
2. die konsumierte Menge eines psychotropen Medikamentes/einer Droge (nein: 100%)
3. die Einschränkung der aktuellen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit (nein: 92,9%)
4. die Wirkung eines psychotropen Medikamentes/einer Droge auf
die aktuelle kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit (nein:
92,9%)
Harntests haben außerdem nach Meinung der überwiegenden Mehrheit der Befragten nur einen "kleinen" oder "gar keinen" Stellenwert bei der Beurteilung
1. der aktuellen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit (85,5%) 2. der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung (78,6%)
Eher sind Harntests dazu geeignet, Aussagen über tatsächlich erfolgten Konsum eines psychotropen Medikamentes/einer Droge in der Vergangenheit zu treffen. Die Quote jener, die auch hier der Meinung sind, dass keine Aussage möglich ist, beträgt 14,3%.
Alle Befragten geben an, dass bei Harntests mit einer Fehleranfälligkeit hinsichtlich falsch positiver Ergebnisse zu rechnen ist. Am höchsten wird der Prozentsatz von zu erwartenden Falschergebnissen mit durchschnittlich 24,4% bei Opiaten angegeben. Mit Kreuzreaktionen bei sämtlichen Substanzen rechnen 35,7% der Fachleute, weitere 50% schränken Kreuzreaktionen auf bestimmte Substanzen ein - auch hier werden Opiate am häufigsten genannt.
o Bluttestverfahren
Als brauchbarer wurden bei fast allen Fragestellungen Bluttestverfahren bewertet. Wenngleich besser beurteilt als Harntests, werden sie dennoch von der Mehrheit für ungeeignet gehalten zu Aussagen über:
1. den genauen Zeitpunkt des Konsums eines psychotropen Medikamentes/einer Droge (nein: 57,1%)
2. die konsumierte Menge eines psychotropen Medikamentes/einer Droge (nein: 64,3%)
Die Mehrheit der ExpertInnen vertritt den Standpunkt, dass sich Bluttestverfahren - ebenso wie Harntests - dazu eignen, um eine Aussage über den tatsächlich erfolgten Konsum eines psychotropen Medikamentes/einer Droge in der Vergangenheit treffen zu können.
Mit falsch positiven Ergebnissen wird auch bei Bluttestverfahren gerechnet (ja: 35,7%), vor allem dann, wenn - so die Anmerkung zweier ExpertInnen - immunologische Verfahren zur Anwendung kommen. Kreuzreaktionen werden bei Bluttestverfahren seltener als bei Harntests erwartet. 42,9% der ExpertInnen weisen explizit darauf hin, dass dies vom gewählten Testverfahren abhängig ist.
Obwohl mehr als die Hälfte der Befragten angibt, dass Bluttestverfahren keine eindeutige Aussage über den genauen Zeitpunkt des Konsums ermöglichen und fast zwei Drittel Bedenken dahingehend formulieren, mit dieser Testmethode Aussagen über die konsumierte Menge eines psychotropen Medikamentes/einer Droge treffen zu können, sind 57% der Ansicht, dass der Nachweis einer psychotropen Substanz im Blut eine Aussage über die Einschränkung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit zulässt.
Dies erklärt sich aus den zusätzlichen Anmerkungen, wo u.a. darauf hingewiesen wurde, dass sich die günstige Beurteilung von Bluttestverfahren im Zusammenhang mit den vorgegebenen Fragestellungen auf so genannte identifizierende Verfahren wie z.B. die Massenspektrometrie bezieht. Um mit einem Bluttestverfahren tatsächlich eine Aussage über die Wirkung eines psychotropen Medikamentes/einer Droge auf die aktuelle kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit treffen zu können, braucht es jedenfalls zusätzliche Informationen: Als solche werden konkret Einnahmezeitpunkt und Konzentration der Substanz genannt, aber auch die Kombination von Bluttestverfahren mit anderen Untersuchungen.
o Speicheltestverfahren
Auf die Frage, ob Speicheltestverfahren in Bezug auf die Einschätzung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit bekannt seien, antwortete die Hälfte der Befragten mit "nein". Anmerkungen, die zusätzlich angefügt wurden, weisen jedoch darauf hin, dass Speicheltestverfahren in Bezug auf Screenings bekannt sind.
o Forschungsbedarf
Dieser besteht nach Ansicht der ExpertInnen vor allem im Bereich der
1. substanzspezifischen Diagnostik: Dosis-/Wirkungsbeziehung bzw. Korrelation von Konzentration im Blut und Wirkung (Beeinträchtigung) und der
2. Testverfahren: Evaluierung, Validierung, Standardisierung
Diese ExpertInnenbefragung wurde auch dem Wiener Drogenbeirat präsentiert.
Allgemeine Informationen:
o Drogen-Beratungsstellen der Stadt Wien:
http://www.wien.gv.at/ma53/telefon/drogen.htm
(Schluss) flo
Rückfragen & Kontakt:
http://www.wien.at/vtx/vtx-rk-xlink/
Flo Winkler
Fonds Soziales Wien
Tel.: 4000/87 312
mailto: flo.winkler@fsw.wien.at
Homepage: www.drogenhilfe.at/
PID-Rathauskorrespondenz: