"Tiroler Tageszeitung" Kommentar: "Pariser Politbeben" (Von Monika Dajc)
NEU KOMMENTAR TIROLER TAGESZEITUNG - Ausgabe vom 22. 4. 2002
Innsbruck (OTS) - Frankreich ein Krisenfall. Ein solcher Absturz kann schneller Tatsache werden als arrogante und machtbesessene Politiker dies vermuten. Den Franzosen stand gestern der Sinn nach einem Denkzettel für die "classe politique". Geringe Wahlbeteiligung und Zustimmung für das rechtsradikale Irrlicht Le Pen. Geworden ist daraus viel mehr. Mit einem Schlag kam auch das Verfassungsgerüst der Fünften Republik samt der von Chirac und Jospin über Jahre hinweg mühsam zelebrierten Cohabitation ins Gerede.
Chirac und Jospin mochten sich im Wahlkampf noch so sehr in Positur werfen, das Publikum hatte sich schon lange seine Meinung gebildet: Unglaubwürdig und abgewirtschaftet. Keiner der beiden auch nur im entferntesten ein Garant für überfällige Erneuerung.
Für den sozialistischen Premier Jospin brachte bereits der gestrige Tag das politische Aus. Frankreichs Linke hat große Probleme, aus dem Zustand der Besinnungslosigkeit zu überfälligen Entschlüssen zu kommen. Die Rundumerneuerung hätte schon nach der Vorjahresschlappe bei den Kommunalwahlen beginnen müssen. Vorerst will man Dienst an der Republik leisten, den bisherigen Hauptgegner Chirac zur höheren Ehre der Demokratie unterstützen. Retter in der Not, Hoffnungsträger sehen anders aus. Denn es waren die widerlichen Korruptionsaffären aus Chiracs Zeit als Pariser Bürgermeister, die lange vor dem Wahlkampf die Französinnen und Franzosen an der Qualität ihres Spitzenpersonals zweifeln ließen. Und es war Chiracs Arroganz, die im In- und Ausland für Ärger sorgte.
Man will es den Experten gerne glauben, dass die Franzosen nicht die Politik ablehnen, sondern das Theater und die Arroganz der Mächtigen. Vorerst zeichnet sich in einem der EU-Gründerstaaten der spektakuläre Erfolg eines Rassisten ab. Im innenpolitischen Dialog stehen die Zeichen nach der ersten Wahlurne deutlich auf Verschärfung.
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