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OeNB: Gouverneur Dr. Liebscher zu Chancen und Herausforderungen des Euro für Europa

Wien (OTS) - Anlässlich des Konjunkturforums 2002, welches
am 1. März d.J. in Velden stattfand, zog Dr. Liebscher,
Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und
EZB-Ratsmitglied, eine sehr positive Zwischenbilanz nach etwas
mehr als drei Jahren Währungsunion.

Die Euro-Bargeldeinführung markiere das krönende Ende eines langen monetären Integrationsprozesses. Mit der erfolgreichen Einführung des Eurobargelds per 1. Jänner 2002 wurde die Währungsunion für rund 300 Millionen Menschen des Eurogebiets konkret fassbar. Die Bargeldumstellung in Österreich sei
- auch im Vergleich zum übrigen Euroraum - hervorragend
gelaufen. Das neue Bargeld sei, so der Gouverneur, in allen
zwölf Euro-Ländern - darunter Österreich - sehr positiv, ja teilweise mit Begeisterung aufgenommen worden. "Und der Euro
ist ab heute für uns und rund 300 Millionen Europäer
alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel geworden. Damit wurde
ein Meilenstein im europäischen Integrationsprozess gesetzt."

Das unabhängige und stabilitätsorientierte Eurosystem, wie
sich die Europäische Zentralbank und die derzeit 12 an der Währungsunion teilnehmenden nationalen Notenbanken bezeichnen,
habe sich - so der Gouverneur weiter - binnen kurzer Zeit als stabiler Anker bewährt und seine Handlungsfähigkeit und Flexibilität angesichts sich sehr rasch ändernder
wirtschaftlicher Rahmenbedingungen bewiesen. Der EZB-Rat habe
sich mit einer vorausschauenden Geldpolitik unbeirrt am
vorrangigen Ziel der Preisstabilität orientiert, und die rückläufige Inflationsentwicklung im Euroraum bestätige das
auch klar.

Im Konjunkturabschwung sei die Wirtschaft des Euroraums im
Jahr 2001 deutlich stärker gewachsen als jene in den USA. Die Wirtschaft des Euroraums sollte nun auch robust genug sein, um
in die prognostizierte Aufschwungphase einzutreten. "Denn die Fundamentaldaten im Eurogebiet sind auf Grund einer wirtschaftspolitischen Strategie, die auf Preisstabilität, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, auf
Lohnzurückhaltung und weitere Strukturreformen abzielt,
weiterhin vorteilhaft." So sei der Konjunkturausblick durchaus positiv: Nach einem voraussichtlich noch etwas verhaltenen
1. Quartal 2002 sollte im weiteren Jahresverlauf der Wirtschaftsaufschwung an Dynamik gewinnen.

Es sei jedoch nicht ausschließlich das Verdienst der Geldpolitik, dass die Währungsunion bisher ein Erfolg war und
dass die Voraussetzungen für eine weiterhin günstige
Entwicklung des Eurowährungsgebiets geschaffen wurden. Auf gesamteuropäischer Ebene stellen insbesondere die Fiskal- und Strukturpolitik weitere wichtige Eckpfeiler einer
stabilitäts- und wettbewerbsorientierten Wirtschaftspolitik
dar.

Nun gelte es, so Gouverneur Liebscher, die Qualität und
Struktur der öffentlichen Finanzen weiter zu verbessern und Strukturreformen noch aktiver zu betreiben. Der Stabilitäts-
und Wachstumspakt sei weiterhin unbedingt einzuhalten und es
müsse integrations- und strukturpolitische Problemlösungskapazität bewiesen werden, um unsere
internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In diesem Zusammenhang begrüße er ausdrücklich den Konsolidierungskurs
der österreichischen Bundesregierung, der im Einklang mit den Zielen des Stabilitäts- und Wachstumspakts steht.

Dennoch seien in Österreich steuerliche Verzerrungen und leistungshemmende Faktoren durch eine wohl durchdachte und
gezielte Steuerreform - die das Ziel eines ausgeglichenen
Haushalts aber nicht gefährde - zu beseitigen. Der Anteil der Investitionen an den Staatsausgaben sollte tendenziell gehoben werden und gleichzeitig die staatliche Abgabenquote gesenkt
werden. Die aus der weiter fortschreitenden Alterung unserer Bevölkerung folgenden künftigen Budgetbelastungen müssten
durch nachhaltige Reformen im Pensions- und Gesundheitsbereich rechtzeitig abgefedert werden. Und im Bereich der
Strukturreformen verwies Gouverneur Liebscher etwa auf die Ladenöffnungszeiten, auf die Gewerbeordnung, auf die Entbürokratisierung und die Erleichterung von Unternehmensgründungen, auf Anreize zu Innovation, Forschung
und Entwicklung sowie zu Bildung.

Die mit Währungsunion und Euro verbundene Vertiefung der europäischen Integration - ein Vorbote einer politischen Union innerhalb Europas - sei nicht nur die richtige Antwort auf Internationalisierung und Globalisierung, sondern auch Schutz
gegen allfällige Entliberalisierungsversuche in Europa. "Dies
ist gerade für kleine und offene Volkswirtschaften wie
Österreich von besonderer Wichtigkeit." Und es zeige sich auch
ganz klar, dass die Einbindung Österreichs in die stabilitätsorientierte, europäische Wirtschafts- und Währungsunion uns heute wesentlich besser vor negativen
Schocks schützt als in der Vergangenheit.

Nach der erfolgreichen Realisierung der Währungsunion sei
nun die unmittelbar bevorstehende Herausforderung der
kommenden Jahre zweifelsohne die Erweiterung der Europäischen Union. Dieses visionäre Integrationsprojekt füge sich nahtlos
in den bisherigen europäischen Integrationsweg ein. Gouverneur Liebscher zeigte sich fest davon überzeugt, dass auch eine sorgfältig vorbereitete Erweiterung der EU als positiver Integrationsschritt in die Geschichte Europas eingehen wird.
Was die währungspolitische Integration der Beitrittsländer,
die voraussichtlich in einem dreistufigen Prozess erfolgen
werde, anbelangt, sei festzuhalten, dass die Messlatte der Maastricht-Kriterien bei den neuen Euro-Kandidaten nicht
höher, aber auch nicht niedriger als bei den bisherigen Euro-Ländern angelegt werden sollte. Und das Integrationstempo
dürfe - im Interesse der Beitrittsländer wie auch des
Euroraums - nicht auf Kosten der Qualität gehen. Die geplante Erweiterung der Europäischen Union werde die Stabilität in
Europa vergrößern, Europas internationale Wettbewerbsposition stärken und damit langfristig auch wesentlich zu Wohlstand, Sicherheit und Frieden auf unserem Kontinent beitragen.

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