• 27.02.2002, 16:29:18
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KURIER-KOMMENTAR: Abfangjäger oder neue Socken?

Alfred Payrleitner über die fällige Schlacht um Grundsatzentscheidunge

Wien (OTS) - Die Misstrauens-Jubiläumsdebatte im Parlament verlief
enttäuschend: Die übliche Polemik ohne Systemalternativen der
Opposition, dazu einige - berechtigte - Gags in Richtung des
heimlichen "Schattenkanzlers" in Kärnten. Eigentlich war es eine
intellektuelle Zumutung für alle politisch interessierten Zuschauer.
Dafür zeichnet sich für die Koalition eine neue Front außerhalb des
Hohes Hauses ab, seitens der Zeitungsmacht Krone. Mit dem ihm eigenen
Gespür für konkret fassbare Probleme startete Hans Dichand eine
Diskussion um die Beschaffung von Abfangjägern. Diesmal ist die
Aktion nicht als einseitige Kampagne angelegt, sondern als eine
Auseinandersetzung Pro und Kontra. Damit trifft er einen Nerv: Über
diese Ausgaben kann man wirklich geteilter Meinung sein, mit guten
Gründen auf beiden Seiten. Vor allem führt diese Frage tief in die
Abgründe der österreichischen Lebenslügen. Als dieses Land 1955
beschloss, seine Neutralisierung zwischen Ost und West als
eigenständige Neutralität zu verstehen, entschied es sich, seine
Souveränität militärisch zu verteidigen. Das hat recht und schlecht
geklappt, vor allem wurde es Gott sei Dank nie auf eine echte Probe
gestellt. Im großen Ernstfall hätte es eine apokalyptische
Katastrophe gegeben. Heute ist alles ganz anders. Die meisten
Nachbarn sind bei der NATO, und Österreich hat sich, zumindest
formal, zur Mitarbeit bei der europäischen Sicherheitspolitik
entschlossen. Soeben haben auch die Schweden ihre bisherige
Neutralität über Bord geworfen und sind nur noch "bündnisfrei". Das
Bedrohungsbild etwaiger Panzerschlachten an der Wiener Neustädter
Pforte ist völlig überholt - schon wegen der Anschaffung der
gebrauchten "Leos" verdrehten viele Generalstäbler die Augen.
Zugleich fehlt es an moderner Bekleidung, an geeigneten
Transportmitteln und vielem mehr. Abfangjäger sind etwas
Eindrucksvolles, das Nötigste sind sie nicht. Verzichtet man auf sie,
wäre allerdings der "Himmel offen". Das ergibt ein
neutralitätspolitisches Vakuum, das logischer Weise zur
übergeordneten Frage führt: Welche Rolle wollen wir künftig im
europäischen Gesamtrahmen spielen? Könnte man sich nicht bei einer
sinnvollen Zusammenarbeit auf Spezialaufgaben beschränken? Was dazu
gebraucht wird, das wissen die Fachleute ganz genau. Das
Identifizieren unbekannter Flugzeuge drei, vier Mal pro Jahr ist
vielleicht zu wenig an Funktion. Auch drohende Terroranschläge
abzuwenden erscheint fragwürdig - das haben bekanntlich nicht einmal
die Amerikaner geschafft. Wären mehr Hubschrauber, Radpanzer,
sanierte Kasernen und neue Socken für die Soldaten nicht
vordringlich? Allerdings müsste man dann den bröseligen Fetisch
"Neutralität" wegen Altersschwäche entsorgen. So wie die Schweden.
(Die aber moderne Jäger haben). An der Entscheidung zwischen diesen
Alternativen kommen die Österreicher nicht vorbei.

mailto:alfred.payrleitner@kurier.at

Rückfragehinweis: Kurier

Innenpolitik
Tel.: (01) 52 100/2649

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