EU-Gipfel Barcelona: Industrie zieht Bilanz der heimischen Regierungspolitik aus europäischer Sicht
IV-GS Fritz: Vor möglichen Paradigmenwechsel der europaweiten Wirtschafts- und Sozialpolitik - Österreichs Reformpolitik liegt im positiven europäischen Mainstream zur Wachstumsschaffung - Weiterer Handlungsbedarf durch Versäumnisse der Vergangenheit - IV für nachhaltige Steuerreform und damit Senkung der Abgabenquote -Pensionsreform bleibt auf der Reformagenda
Wien (PdI) Die Industriellenvereinigung, die als gestaltendes Mitglied des stärksten europäischen Arbeitgeberdachverbandes UNICE -die IV stellt mit Peter Mitterbauer den UNICE-Vizepräsidenten -intensiv in die Vorbereitungen des EU-Sondergipfels in Barcelona eingebunden ist, erwartet von dem Gipfeltreffen einen weiteren massiven Reformschub für den sogenannten Lissabon-Prozess, Europa zum dynamischsten und wachstumsstärksten Wirtschaftsraum zu machen. "Der eingeschlagene europaweite Weg muss konsequent fortgesetzt werden. Die europäische Industrie drängt insbesondere auf eine Entscheidung für das EU-Gemeinschaftspatent und fordert besonderes Augemerk auf den Konsultationsprozess für die Eigenkapitalrichtlinien "Basel II", betonte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Dkfm. Lorenz Fritz.
Für die nationalen Herausforderungen heißt das konkret, dass - wie auch im Bericht der Europäischen Kommission zum Barcelona-Gipfel eingemahnt - die Lohnnebenkosten sowie die Steuer- und Abgabenquote gesenkt werden müssen. Der IV-Generalsekretär unterstützt dezidiert das Ziel der Bundesregierung bis 2010 die Abgabenquote auf 40 Prozent zu drücken, forderte aber auch Seriosität in der politischen Diskussion über den Weg dorthin ein: "Die Industrie erwartet selbstverständlich, dass die versprochenen Entlastungsmaßnahmen für die Unternehmen auch umgesetzt werden. Dies muss aber nachhaltig erfolgen. Eine Steuerreform 2000 - erst kommt es zu Entlastungen, die sich der Staat nicht leisten kann, dann holt man sich mehr Geld zu Lasten der Unternehmen zurück - darf es nicht mehr geben".
Darüber hinaus bestätigte Fritz, dass die Senkung der Körperschaftssteuer (KÖSt) ein Hauptanliegen der Industrie bei den Entlastungsschritten für die Unternehmen bleibt.
Kein Nachlassen bei Reformen in den Bereichen Biotechnologie, Aus-und Weiterbildung, Innovation und Pensionssystem
Ausdrücklich positiv bewertet die Industriellenvereinigung die Maßnahmen des Konjunkturpaketes der Bundesregierung. "Die Bundesregierung setzt auf die richtigen Maßnahmenfelder, wie es auch unsere europäischen Mitbewerber tun. Die spanische EU-Präsidentschaft ist in intensiven Vorbereitungen begriffen, diesen europäischen Mainstream einen neuen Schwung durch gemeinsame Beschlüsse in Barcelona zu geben. Wenn Österreich aber - wie es Ziel der Bundesregierung ist - unter die europäischen Top 5 in Bezug auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit aufsteigen möchte, ist die wirtschaftspolitische Agenda mit mittel- und langfristigen Herausforderungen dicht gefüllt."
Konkret nannte der IV-Generalsekretär - abgeleitet von dem gesamteuropäischen Lissabon-Prozess:
Chancenwahrnehmung bei Biotechnologie
Dieser Sektor bleibt in Europa einer der wachtumsintensivsten. Europa benötigt eine gemeinsame Position, die weiteres Wachstum ermöglicht und ethischen Grundsätzen Rechnung trägt. "Österreich hat die Chance bei langfristigen, stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen voranzuschreiten. Die EU-Patentierungsrichtline muss raschest umgesetzt werden, Maßnahmen zur Behebung des Forschermangels sind zu entwickeln und umzusetzen."
Aus- und Weiterbildung
Die Impulse aus dem Konjunkturpaket sind wertvoll, weitere müssen folgen. Dies gilt beispielsweise für die stärkere steuerliche Anerkennung unternehmensinterner Weiterbildungsaufwendung und das Umlenken öffentlicher Gelder von der Aus- zur Weiterbildung.
Weitere Reform des Pensionssystems
Auch hier hat die Bundesregierung einen ersten Schritt gesetzt. Die nachhaltige Finanzierung des Systems macht aber weitere Reformen notwendig. Österreich hat derzeit bei den öffentlichen Aufwendungen für das Pensionssystem - trotz der bisher gesetzten Reformmaßnahmen -mit 14,5 % Anteil am BIP EU-weit die höchsten Ausgaben und würde ohne weitere einschneidende Reformschritte die rote Laterne auch die nächsten 20 Jahre nicht abgeben. (siehe beiliegende Grafik).
Forschung und Innovation
Das Ziel der Bundesregierung bis zum Jahr 2005 eine F & E-Quote in der Höhe von 2,5 Prozent zu erreichen ist ambitioniert, längerfristig müssen weitere Hebel angesetzt werden. Die EU-Kommission schlägt die Erhöhung der F & E Ausgaben in der EU bis zum Jahr 2010 auf 3 Prozent (derzeit 1,9 Prozent) vor.
Aktuelle Wettbewerbssituation EU-USA: Die USA bleibt Wachstumsmotor
"Europa leidet weiterhin an seiner Strukturschwäche und Rigidität", erklärte der Bereichsleiter Industriepolitik und Ökonomie, Dr. Erhard Fürst, zur aktuellen makroökonomischen Situation. Diese Ausgangssituation mache den Lissabon-Prozess und einen Erfolg des Gipfels von Barcelona so ungemein wichtig. Im Zentrum der Lissabon-Strategie steht die Vollendung des Binnenmarktes durch das Aufbrechen geschützter Sektoren (Telekom, Energie, öffentliche Beschaffung) und die Beseitigung von Rigiditäten (Mobilität der Arbeitskräfte, Flexibilisierung der Arbeitsmärkte) sowie die Freisetzung von Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung, Aus- und Weiterbildung und Infrastruktur.
Die USA ist in den vergangenen 10 Jahren 1992 - 2001 im Durchschnitt jährlich um 1,5 Prozentpunkte schneller als die EU gewachsen, erinnerte Fürst. Dem entsprechend betrug die Arbeitslosenrate 2001 in den USA weniger als 4%, in der EU nahezu 8%.
Im sogenannten Synthesebericht der EU-Kommission, der die Basis für den Barcelona-Gipfel bildet, finden sich zahlreiche weitere Indikatoren, bei denen die EU gegenüber den USA Aufholbedarf hat. Das BIP pro Kopf zu Kaufkraftparitäten liegt in den USA um gut 50% höher als in der EU, die Arbeitsproduktivität um nahezu 40%. Während die Steuern- und Abgabenbelastung für Niedrigverdiener in den USA 29% ausmacht, liegt sie in Europa um 10 Prozentpunkte höher. Die Forschungsquote der EU von 1,9% des BIP vergleicht sich mit 2,65% in den USA. Je nach Jahr liegt das Aufkommen an Venturekapital in den USA zwei- bis fünfmal so hoch. Die Telefonkosten in den USA betragen nur rund ein Drittel der europäischen.
Nachdem sich die Implementierung der Lissabonstrategie in einigen Punkten verzögert hat (Liberalisierung der Energiemärkte, Finanzdienstleistungen, EU-Patent, Galileo) erwartet die europäische Industrie vom Gipfeltreffen in Barcelona ein neues Durchstarten, betonte Fürst. Dies ist unerlässlich, damit Europa voll am bevorstehenden Wirtschaftsaufschwung partizipieren kann.
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