- 23.01.2002, 16:33:25
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KURIER-KOMMENTAR: Missbrauchte Vertriebene
Alfred Payrleitner über das Scheinthema Benes-Dekrete
Wien (OTS) - "Die Anpassung an europäische Rechtsnormen muss man
von jeder Regierung verlangen können!" Diesen Satz zu den
Benes-Dekreten sagte der SP-Delegationschef im Europäischen
Parlament, Hannes Swoboda, im Oktober 2000 zum KURIER. - Genocid,
Völkermord, steht heute überall im Westen unter Sanktion, und
Kollektivschuldthesen gelten als verwerflich.
Die Benes-Dekrete 1945 bedeuteten Genocid. Also soll nach dem
Willen der Österreicher, ausgedrückt durch einen einstimmig gefassten
Nationalratsbeschluss vom 16. Mai 1999, auf die Aufhebung der Benes-
und Avnoj-Vertreibungsgesetze "hingewirkt" werden. Allerdings "im
Verbund mit den anderen Mitgliedsstaaten und Institutionen der EU".
Was die Bedeutung des Beschlusses einigermaßen relativiert. Ein
Junktim mit dem Beitritt der Tschechen und Slowenen wurde und wird
nicht gefordert.
Dafür wurde bereits 1993 bei der Kopenhagener EU-Konferenz
festgestellt, dass der Antragswerber Tschechien die
Beitrittsvoraussetzungen erfülle. Nur über Details wird noch weiter
verhandelt. Wo man hinschaut, lässt sich aber nirgendwo in Europa die
Lust auf weitere Formalakte bezüglich der Dekrete erkennen.
Erweiterungskommissär Günter Verheugen hat das mehrfach bekräftigt.
Zumal selbst Tschechiens wilder Mann Milos Zeman längst erklärte,
dass die Gesetze ihre Wirkung in der Gegenwart verloren hätten. Mehr
ist diplomatisch und juristisch schlicht und einfach nicht drinnen.
Es sei denn, man sucht wie der FP-Führer Jörg Haider gezielt nach
weiteren Stressfaktoren für die Koalition. Ihr Ende wird an der
Bruchstelle Europa-Partei gegen nationale Europa-Verhinderungspartei
eintreten.
Der Kärntner Landeshauptmann nannte auch einen möglichen
Wahltermin - heuer im Frühjahr. Wie ernst man diese zynischen
Spielchen noch nehmen soll, ist schwer zu beantworten. Wie soll man
mit Selbstverstümmlern umgehen? Doch allmählich sollten sich die
restlichen Sudetendeutschen dagegen wehren, dass ihre furchtbaren
Leiden derart billig zur Wahlkampfvorbereitung missbraucht werden.
Österreich wird nicht erreichen, worauf das ungleich stärker
betroffene Deutschland ( von 3,2 Millionen Vertriebenen kamen etwa
160.000 nach Österreich) de facto bereits verzichtet hat. Deutschland
wie Tschechien beharrten 1997 zwar auf ihrer jeweiligen
Rechtsauffassung, doch das war's . Kanzler Helmut Kohl war ein
Schlussstrich lieber, wobei ihm Zeman freudig zustimmte. Moralisch
sieht die Sache natürlich wieder anders aus. Tschechiens Bewusstsein
hinkt bezüglich der Vergangenheit um Jahrzehnte nach. Eigenbild und
historische Wahrheit klaffen weit auseinander. Wenn Zeman neulich von
Österreich als "erstem Verbündeten" Hitlers sprach, sollte er auch
erwähnen, dass die Tschechen ausdauernde Waffenschmiede des Dritten
Reiches waren. Echter Widerstand begann erst im Mai 1945 in Prag. -
Würde doch nur jeder anfangen, vor der eigenen Türe zu kehren.
Rückfragehinweis: Kurier
Innenpolitik
Tel.: (01) 52 100/2649
mailto:alfred.payrleitner@kurier.at
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