DER STANDARD - Kommentar am 09.01.2002 Der Staat sind wir - Das Republikverständnis der FPÖ und die Frage nach den Konsequenzen Von Gerfried Sperl
Wien (OTS) - Wer für die FPÖ votiert, agiert sachlich. Wer gegen sie entscheidet, handelt politisch oder gar sozialistisch. So lautet das freiheitliche Credo.
Jörg Haider versteht den Staat als Teil der FPÖ und nicht umgekehrt. Daher argumentiert auch Susanne Riess-Passer, der Verfassungsgerichtshof dürfe sich nicht über den Staat und die Gesetze stellen. Und meint damit, dass selbst ein Höchstgericht der FPÖ nichts vorzuschreiben habe. Das ist der Kern des freiheitlichen Selbstverständnisses, dem auch Justizminister Dieter Böhmdorfer und Klubobmann Peter Westenthaler zuneigen. Damit stehen sie aber im Gegensatz zur Gewaltenteilung des liberalen Rechtsstaats und damit im Konflikt mit der westlichen Demokratie.
Denn gerade der Verfassungsgerichtshof ist nicht nur ein gewichtiger Teil des Staats, sondern gleichzeitig ein "kleines Parlament", wie es Riess-Passers Uni-Lehrer Bruno Binder formuliert. Seine Zusammensetzung reflektiert zu Recht die politischen Proportionen. Weshalb bei der nächsten Nachbesetzung die FPÖ sicher mitreden wird.
Aber um diese sanfte Art der Mitbestimmung geht es Jörg Haider nicht. Er will, wie immer, alles. In diesem Fall die Unterwerfung des Gerichtshofs unter die Jurisdiktion des Kärntner Landeshauptmanns. Zumindest aber eine Rechtsprechung, die sich an Haiders Interessen orientiert. Weshalb eine Mehrheit der Richter im Höchstgericht zumindest die Zusammensetzung der gegenwärtigen Regierung spiegeln müsse. Im besten Fall aber Kärntner Verhältnisse, denn das wäre die objektivste Form.
Reicht diese Einstellung zu einer Abwahl Haiders als Landeshauptmann? Noch dazu wenn er sagt, der Verfassungsgerichtshof müsse "zurechtgestutzt" werden? Und damit in die gefährliche Nähe der eigenen Forderung vom Mai 2000 gerät, wonach Politiker, die gegen die Interessen des Staats verstoßen, mit Sanktionen belegt werden sollten?
Die erneute Abwahl Haiders würde im oppositionellen Lager Jubel auslösen. Klug wäre sie nicht. Denn seine Attacken reichen (noch) nicht aus, um eine derart gravierende Sanktion gegen den Über-Drüber-Chef der Freiheitlichen zu verhängen. Und er würde erneut in die Bundespolitik drängen. Mit erhöhten Chancen und einem aufgefrischten Märtyrer-Image.
Gleichwohl kommt eine Zeit, wo diese Frage akut wird. Dann nämlich wenn Jörg Haider die Umsetzung des Ortstafel-Erkenntnisses verweigern oder verhindern sollte. Denn das wäre Widerstand gegen den Rechtsstaat in großem Stil. Und eine Nagelprobe für den Weiterbestand der schwarz-blauen Koalition.
Wieder einmal zeigt sich, dass die österreichische Politik viel stärker den italienischen Usancen folgt als den deutschen. Und dass Rom nicht zufällig die Rolle Wiens als unsicherer Kantonist übernommen hat. Umso wichtiger ist es, dass Brüssel gewillt ist, der Berlusconi-Regierung auf die Finger zu klopfen. Würde die EU rein gar nichts gegen die mit Duldung des Regierungschefs von Lega-Nord- Chef Bossi genährte Anti-EU- Stimmung unternehmen, wären die Auswirkungen auch auf Österreich recht klar: Brüssel würde sich jedes Recht verwirken, gegen Ballhaus-Ambitionen Jörg Haiders aufzutreten. Die Nullreaktionen auf den Kabinettseintritt der Postfaschisten und der Lega Nord mussten vom häufigen Italien-Besucher ohnehin wie die Ausstellung eines Persilscheins empfunden werden.
Doch auch in der Hofburg sollte man darüber nachdenken. Denn nach den regulären Terminen wird auch die nächste Bundesregierung von Thomas Klestil angelobt. Und zumindest vorverhandelt. Der Bundespräsident braucht also gute Gründe, um Haider einen Auftrag zur Regierungsbildung zu verweigern. Die kann er öffentlich nur dann rechtfertigen, wenn er jetzt bereits den Landeshauptmann klar und deutlich zur Ordnung ruft. Zum Beispiel, indem er ihn in die Hofburg bestellt und ihm politische Grenzen setzt.
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